Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

NDR 1 Radio Niedersachsen, 18.10.2005

Kurzbericht

Es gibt Menschen in Deutschland, die trauen sich nicht, etwas zu sagen oder etwas zu fragen. Bei vielen sind das nur kleine Unsicherheiten, aber es gibt auch extrem schüchterne Menschen. Hören Sie mal:
"Wenn fünf Schüchterne abends zusammen weggehen und sie entscheiden müssen, wo gehen wir jetzt hin, dann kommt es schonmal vor, dass alle fünf sagen, schlag du was vor, ich komm dann mit. Also, normalerweise hab ich dann schon so meinen Favoriten, wo will ich hingehen, aber ich trau mich dann auch nicht so, das zu sagen, denn wenn die anderen nicht dafür sind, dann bin ich enttäuscht, und wenn die anderen dafür sind, hab ich das Gefühl, die kommen nur mit, weil sie mir einen Gefallen tun wollen."

Das klingt ein wenig komisch, ist aber ein großes Problem für die Betroffenen. Es gibt aber eine Möglichkeit zur Hilfe. Mehr dazu in wenigen Minuten hier bei NDR 1 Niedersachsen.

... gewesen sein soll als Kind, und darum kenn ich natürlich auch diesen Satz, sei doch mal nicht so schüchtern. Meistens verwächst sich das im Laufe der Zeit, aber es gibt auch Menschen, die tatsächlich fast schon krankhaft schüchtern sind. Was also tun, wenn Schüchternheit das ganze Leben bestimmt? Darüber wollen wir jetzt reden hier bei NDR 1 Niedersachsen.

Wenn man keine Freunde findet, auf Partys immer den Mund hält und am liebsten unsichtbar bleibt, dann ist es vielleicht Zeit, Beistand zu suchen bei Gleichgesinnten.
"Ich würd vielleicht auch gern mal bei so ner Gesprächsrunde am Laufen halten, ich werd auch neidisch, wenn andere Leute irgendwelche Anekdoten erzählen aus ihrem Leben und ich krieg das nicht so in diesem unterhaltenden Ton raus, dann ist schon wieder dieser Erfolgsdruck da."
Dieser Erfolgsdruck ist Julian Kurzidims größtes Problem. Julian ist 30 Jahre alt und schüchtern. Extrem schüchtern. So schüchtern, daß ein Gespräch mit ihm, wenn es überhaupt zustande kommt, oft nach 2 Sätzen beendet ist, weil aus seinem Mund kaum eine Antwort kommt, obwohl er sichtlich und lange darüber nachgrübelt.
"Naja, weil ich nicht so sehr weiß, wie sprech ich jetzt die anderen an, was wollen die anderen hören, daß sie mich akzeptieren, je mehr Erfolgsdruck, umso weniger Chancen, das auch wirklich zu erreichen."
In der Schule stand er oft am Rand. Bewerbungsgespräche sind die Hölle für den Diplom-Sozialarbeiter, und er hat noch nie ein Mädchen angesprochen.
"Nee, die eine Freundin, die ich hatte, die ist zu mir gekommen, nachdem ich sie schon in Jahr gekannt hab."
Doch der schüchterne Julian hat etwas sehr Mutiges getan. Er hat Selbsthilfegruppen für Schüchterne gegründet. Angefangen hat alles vor drei Jahren in Braunschweig.
"Gut, das war für mich auch nicht leicht, aber da war die Motivation da, ich weiß, da find ich die Leute, von denen ich endlich mal verstanden werde und die genauso sind wie ich."
Schüchtern zu sein, sagt Julian, ist ja eigentlich nichts Schlimmes. Schüchterne Menschen sind rücksichtsvoll, einfühlsam und sanftmütig. Doch in einer Gruppe von Sachüchternen das Eis zu brechen, das ist garnicht so einfach.
"Es haben viele auch gesagt, das erste Mal in der Gruppe, das war für die sehr schwer, die erstmal nur zugehört haben und ich die vorsichtig was gefragt habe, manche schaffens auch nicht, wiederzukommen, leider, aber die, die bleiben, die merken dann nach so 4-5 Sitzungen, das ist ja doch ganz gut. Und langsam tauen die dann auf."
Inzwischen gibt es Selbsthilfegruppen für Schüchterne in Braunschweig, Peine, Wolfsburg, Hanover, Hildesheim und Goslar. In Celle und Hemmoor gründen sich gerade neue Gruppen. 8-10 Schüchterne treffen sich ein paar Mal im Monat, die meisten übrigens Männer.
Für Julian hat sich die Gründung gelohnt. Die Schüchternheit ist zwar noch lange nicht überwunden, aber er traut sich jetzt mehr, hat Freunde gefunden und anderen Menschen geholfen.
"Eine Frau bei uns in der Gruppe mußt für ihr Diplom einen Vortrag halten, und den hat sie bei uns vor den anderen Gruppenmitgliedern schon mal probeweise vorgetragen. Das war dann auch ein großer Schritt für uns."

Zum Schluß kam noch ein Verweis auf das NDR-1-Hörertelefon, wo die Kontaktmöglichkeiten zu den Gruppen erfragt werden konnten.

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