Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Helmstedter Nachrichten, 19.3.2009

Schüchterne Menschen suchen Hilfe
Kampf gegen die Angst, sich zu blamieren - Selbsthilfegruppe beim Paritätischen in Helmstedt gegründet


Von Jürgen Paxmann

HELMSTEDT. "Schüchterne werden aktiv!" Mit dieser Formel möchte der Paritätische Menschen aus ihrer selbst gewählten Isolation holen und eine Selbsthilfegruppe gründen. Sie dient dazu, Schüchternheit und die Probleme, die sich daraus ergeben, anzusprechen.

Anja Joh-Jaspers, Leiterin der Selbsthilfe-Kontaktstelle in Helmstedt, begründet die Initiative so: "Menschen, die schüchtern sind oder an einer sozialen Phobie leiden, leben mit der ständigen Angst, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren."

Mit dem Angebot, sich auszutauschen, werde der erste Schritt getan, diese Ängste zu bekämpfen. Laut Joh-Jaspers quälten zwanghafte Gedanken die Betroffenen: "Wie sehe ich aus? Wie komme ich an? Bin ich gut genug? Werde ich akzeptiert? Mache ich etwas falsch?" Dazu kommen die vegetativen Reaktionen: der Blutdruck steigt, das Herz rast, Schweißausbrüche, Zittern, roter Kopf.

Die Mitarbeiterin vom Paritätischen ist nach eigenem Bekunden sehr überrascht gewesen, wie groß offenbar der Bedarf in Helmstedt ist. Zu einem Vortrag Mitte Januar, den Julian Kurzidim vom Braunschweiger Verein Intakt in Helmstedt gehalten hat, sind - ohne Voranmeldung - gleich zehn Zuhörer gekommen. Sechs von ihnen haben sich dazu entschlossen, eine Selbsthilfegruppe in Helmstedt zu gründen.

Ein erstes Treffen war bereits in der vergangenen Woche. Eine Schülerin (19 Jahre alt) berichtete davon, dass ihre Schüchternheit sie daran hindere, sich in Bewerbungsgesprächen zu empfehlen. Ein 20-Jähriger erklärte, dass er, weil er schüchtern sei - überhaupt keine Freunde habe und daher die Zeit daheim vor dem Computer verbringe.

Der Verein Intakt nennt Gründe für die selbstzerstörerische Einsamkeit: Keine eigene Familie mehr, Ablösung vom Elternhaus, innere Ängste oder Depressionen, eine körperliche oder seelische Verletzung, übermäßiges Arbeiten, Schichtdienst oder auch der Umzug in eine neue, fremde Umgebung.

In all diesen Lebenssituationen könne eine Kontaktarmut zu angstbesetzten Gefühlen werden.

"Es fällt den Betroffenen schwer oder gelingt gar nicht mehr, auf Mitmenschen offen zuzugehen", schreibt Julian Kurzidim auf der Internetseite der Braunschweiger Selbsthilfegruppe.

Es ist der Wunsch nach gemeinsamen Aktivitäten, der die Hilfesuchenden zusammenbringt. "Sie wollen aber auch Tipps und Ratschläge, um Ängste zu überwinden", berichtet Joh-Jaspers. Die Gruppe ist noch auf der Suche nach weiteren Menschen, die unter ihrer Schüchternheit leiden.

Das nächste Treffen ist am Donnerstag, 2. April, um 17 Uhr im Veranstaltungsraum des Paritätischen in der Schuhstraße 28 in Helmstedt. Langfristig aber muss sich die Gruppe selbst organisieren, finanzieren und auch Räume suchen.

Auskünfte gibt der Paritätische in Helmstedt, (0 53 51) 5 41 91 15. Information im Internet unter www.schuechterne.org.

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