Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Februar 2023

Titelseite

Inhalt:
   - Foto vom DASH-Kongreß
   - Verkaufszahlen zum "Panther"
   - Antrag auf Bürgergeld nun auch online verfügbar
   - Mal wieder: Die doch große Macht der "Kleinen"
   - Sagt der Parkinson zu den Zwängen
   - Neben-Ergebnis der Reise nach München

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ZITAT

"Wenn's denkst, ist's eh zu spät."

Gerd Müller, Fußball-Legende



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Nachgeholtes Foto vom DASH-Kongreß in München


links: Willi Butollo, langjähriger Angstexperte und Buchautor


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Verkaufszahlen zum "Panther"

Auch für 2022 hat unser Partner, der Festland-Verlag in Wien, die Zahlen übermittelt:

2011-2021

2022

Gesamt

Verkauf über Festland-Verlag (ab 2016)

243

18

261

Verkauf über Projekte-Verlag (2014 Insolvenz)

140

-

140

Verkauf über intakt e.V.

172

1

173

Verkauf über Guten-Morgen-Buchladen

8

-

8

Freiexemplare für Mitwirkende

18

-

18

Rezensionsexemplare

5

-

5

Vereins-Mediothek

2

-

2

Gesamt

588

19

607

Das Buch ist weiterhin im Buchhandel, über den Festland-Verlag oder den intakt e.V. erhältlich.


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Antrag auf Bürgergeld nun auch online verfügbar

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mitgeteilt, dass der Hauptantrag für den Bezug von "Bürgergeld" (vormals: ALG II/"Hartz IV") nun auch online zur Verfügung steht. Dieser kann ab jetzt im "Jobcenter digital" unter der Webadresse https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/buergergeld abgerufen werden. Neben dem Antragsformular lassen sich auf dieser Plattform auch Bescheide abrufen, Nachrichten mit dem "Jobcenter" austauschen, Termine vereinbaren oder Unterlagen digital einreichen. Mit diesem Angebot sollen die Ämter laut Bundesminister Heil "nicht nur den Verpflichtungen des Online-zugangsgesetzes fristgerecht nachkommen" und "Verwaltungsmodernisierung intensiv voran-treiben". Auch wird die Kommunikation mit Behörden im Allgemeinen erleichtert. Das "Bürgergeld" ist seit 01.01.2023 die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende und bringt neben einer deutlichen Regelsatzerhöhung weitere Veränderungen mit sich: So dürfen Sanktionen nur noch im zulässigen Umfang des vom Bundes-verfassungsgericht vorgegebenen Rahmens verhängt werden, wobei die passgenaue Eingliederung von Arbeitslosen im Vordergrund steht und ihre Weiterbildung belohnt werden soll. Auch die Prüfungen von Schonvermögen und Wohnungsgröße werden vereinfacht und fallen teilweise für einen bestimmten Zeitraum zunächst gänzlich weg. Die Mitarbeiter in den "Jobcentern" sollen nicht mehr in jede Arbeitsstelle vermitteln können. Viel mehr soll der jeweilige Job zum Klienten passen. Unnötige und sich wiederholende Qualifizierungsmaßnahmen werden zurück-gefahren. Das Gewicht wird stärker auf dem "Fördern" liegen, die jeweilige Lebenssituation des Betroffenen stärker im Mittelpunkt stehen.

Autor: Dennis Riehle, Sozialberater
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Pressemitteilung vom 09.01.2023

Dennis Riehle
Martin-Schleyer-Str. 27, 78465 Konstanz

Kontaktaufnahme bitte ausschließlich per Mail oder über WhatsApp (0179/7945412).

Web: www.selbsthilfe-riehle.de
Mail: info(ä)selbsthilfe-riehle.de
privat: www.dennis-riehle.de
Twitter: https://twitter.com/riehle_dennis
Mobil: 0179/7945412 (nur Whatsapp und SMS)


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Mal wieder: Die doch große Macht der "Kleinen"

ZUSAMMENFASSUNG
   - Ein altes Ratgeberbuch bringt Ideen auch für heute
   - Tricks der "Großen" sind auch für "Kleine" machbar
   - Am wichtigsten ist aber wie immer das Selbst-was-Tun


Fast gleichzeitig zur Reform des Hartz 4 zum "Bürgergeld" fiel mir ein altes Ratgeberbuch in die Hände. "Besser leben mit der Hartz-IV-Falle". Es ist von etwa 2006. Obwohl es veraltet ist, ist es interessant und lehrreich. Außerdem weckt es Erinnerungen an meine eigenen Hartz-4-Jahre. 2005 bis 2009, also im selben Zeitraum (→1).

Zunächst: Woher kam denn überhaupt dieser Name "Hartz 4"? Peter Hartz war VW-Manager und Berater des Kanzlers Schröder in der Wirtschaftskrise, zur Zeit des Buches "arbeitslos mit Bezügen von 15000 Euro pro Monat". Und die Vier, war auch mal was mit Hartz 1 bis 3? Richtig: Bei Hartz I ging es um Erleichterung von neuen Formen der Arbeit, Bildungsgutschein, Zeit- und Leiharbeit. Hartz II reformierte Minijob, Midijob und "Ich-AG" (was war das nochmal?). Hartz III schließlich regelte den Umbau der Arbeitsämter in Arbeitsagenturen. Naja. Auch das Jobcenter war Ergebnis eines solchen Umbaus. Es hieß zu meiner Zeit "ARGE", was den Kalauer weckte, es französisch auszusprechen: Arsch.
Zwischenruf von Nescafe-Angelo:
"Isch'abbe gar keine Artze-Quattro!"

Aber auch, wenn in Frankreich zur Zeit ähnliche Debatten um Sozialabbau, dort beim Rentenalter, laufen: Weltweit ist das Sozialnetz bei uns immer noch besser als im Großteil der Welt, als in vielen Herkunfts- und vielen Sehnsuchtsländern. Also bevor du wieder schlecht über Deutschland redest, werd mal arbeitslos bei deinem geliebten Volksbefreiungsführer!

Aber was wollte ich eigentlich? Ach ja, das alte Buch vorstellen. Obwohl es das häufige Stammtischgemotze ablehnt, ist es keine Schönfärbepropaganda. Es nennt die Schikanen des Hartz-4-Systems deutlich beim Namen. Von manchen Sanktionen und Schikanen habe ich selbst erst aus dem Buch erfahren. Was, sowas hätte auch mir aufgedrückt werden können? Ich hatte zunächst ein Jahr lang einen Sonderstatus, um eine Psychotherapie zu machen. Meine einzige "Maßnahme" war etwas später ein zweiwöchiger Bewerbungskurs. Der half mir zwar nicht gegen meine Bewerbungsängste - brachte mich aber auf die Idee zum Job, mit dem ich dann aus dem Hartz 4 rauskam.

Die Grundidee des Buches ist es jedoch, zunächst die Hartz-4-Situation erträglich zu machen. Gern auch ähnlich zu tricksen wie der Stammtisch es den "Großen und Reichen" zutraut. Es ist oft die Rede von legalen Tricks, mit denen Großkonzerne keine Steuern bezahlen. Warum nicht selbst so ähnlich, welche legalen Tricks haben wir?
Es müßten einige sein: Immerhin waren damals in den Medien auch Berichte über Leute, die sich ihr Hartz 4 nach Florida oder sonstwohin überweisen ließen (→2). Solche Fälle lassen sich mit Empörung kommentieren - oder mit der Frage, ob ähnliche Tricks auch mir selber offenstehen.

Ob es wirklich stimmt, daß die ARGE nicht korrekt über Rechte und Ansprüche aufklärte, weiß ich nicht. So oder so ist er aber besser, sich selbst über die eigenen Rechte zu informieren.
Natürlich auch über inoffizielle Sachlagen zum eigenen Vorteil. Der Aufwand, z.B. einen Zwangsumzug durchzusetzen, ist oft unangemessen hoch im Vergleich zum Ziel. "Das wissen die ARGE-Mitarbeiter sehr genau, auch wenn sie ungern drüber sprechen." Dann spricht stattdessen das Buch darüber.

Bei den Wohnkosten ließe sich "die gängige Bereicherungspraxis von Sozialpensionen übernehmen", statt per Zwangsumzug in einer solchen zu landen (→3).
Zum Beispiel sollte ein Liebespaar (beide Hartz 4) nicht zusammenziehen, zumindest nicht auf dem Papier. Sondern einmal Untermiete bei demder anderen. Bei Untermiete würden zwei Wohnungen zu je 1 Person gelten. Also müsse die ARGE 90 qm zugestehen statt der 60, die für 2 Personen als Höchstwert gelten. "Der ARGE entsteht unter dem Strich kein Schaden, doch den Nutzen haben zwei Liebespärchen, die sich offiziell nicht kennen."

Ein Ratschlag, der mehrere Nutzen haben kann, ist: mit anderen, "von denen zumindest einer kein Hartz-IV-Empfänger sein darf", eine Gesellschaft (GbR) oder einen gemeinnützigen Verein (e.V.) zu gründen. Da muß ich anmerken: Bei meinem Hartz-4-Antrag war der intakt e.V. schon etabliert.
Der Sinn darin soll einerseits sein, Einkünfte nicht auf sich selbst, sondern auf den Verein laufen zu lassen. Damit sie nicht angerechnet werden können. Andererseits, und wenn ich den Tip aus dem Buch gekannt hätte: einen 1-Euro-Job beim eigenen Verein. Was das bringen soll? Nicht mehr anderswo in einen 1-Euro-Job gezwungen werden können. "Sie gehen ja einer Arbeit nach, sogar einer selbst gesuchten."
Beim Zuverdienst, "das ziehen sie mir doch wieder ab", muß ich noch einen Gedanken loswerden. Nicht aus dem Buch, sondern von mir damals: Ein 400-EUR-Job bringt zwar nach Anrechnung nur 160 mehr. Aber er bringt 400, die niemand wegsanktionieren kann! Das gibt Freiraum, dem Amt gegenüber selbstbewußt aufzutreten, mit dem Unterton "nicht mit mir".
Das Buch nennt sogar einen beliebten Pseudo-Einwand: Und wenn meine Firma so sehr brummt, daß ich aus dem Hartz 4 fliege? Antwort: Ist doch super, du wolltest doch eh vom Jobcenter weg. "In jedem Fall haben Sie gewonnen - im besten sogar eine neue eigene Existenz."

Ob die Tips funktionier(t)en, weiß ich nicht. Solche Bücher übernehmen auch nie eine Garantie für die Folgen, wenn ihre Ideen umgesetzt werden. Auch der oft ironische Unterton des Buches paßt nicht in die Frusterfahrung der Zielgruppe oder deren Selbstsuggestion, sie könnten "eh nichts tun"; er kann daher ein Hindernis sein, das Buch als echte Hilfe zu erkennen. Es zeigt aber, daß neben "Frustsaufen", "Fernsehen" oder "AfD wählen" auch echte Lösungen möglich sind. Es bringt auf neue Ideen und hilft so - wenn schon nicht aus dem Hartz 4, dann aus der Hilflosigkeit. Aus dem Mindergefühl gegenüber dem Jobcenter und gegenüber sich selbst.

Mir selbst hat ein anderes Buch im ähnlichen subversiv-konstruktiven Geist geholfen, den Zivildienst durchzustehen. Und existieren solche Bücher schon für das "neue" Bürgergeld?

Julian / Braunschweig

Dieter Kerschkamp: Besser leben mit der Hartz-IV-Falle. Ein Handbuch für Kämpfer.
Pabel-Moewig-Verlag, Rastatt
ohne Jahresangabe (wahrscheinlich 2006)
ISBN 978-3-8118-1906-1


↑1 Die Geschichte meiner Hatrtz-4-Kontoprüfung steht im Rundbrief vom August 2013, www.schuechterne.org/rb134.htm, dort im Text "Forschungsreise Teil 4"

↑2 Die Wikipedia-Seite "Florida-Rolf" gibt einen Überblick um das Ausmaß der Diskussion um diesen Fall.

↑3 "Sozialpensionen" sind alles, was sich irgendwie als billiger Wohnraum umnutzen läßt, vom stillgelegten Hotel bis zum Abstellraum mit Etagenbetten und Kaffeemaschine.




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Sagt der Parkinson zu den Zwängen:
"Ätsch, nur noch die Nummer 2!"


ZUSAMMENFASSUNG
   - Eine körperliche Erkrankung kann ein psychisches Leiden in den Hintergrund drängen - und umgekehrt.
   - Der Lerneffekt aus einer chronischen Krankheit kann ein verbesserter Umgang mit Krisen allgemein sein.
   - Die Resilienz des Menschen wächst durch Heraus-forderungen, wenn man die Chance zum Aufstehen nutzt.


Ja, ich erinnere mich noch sehr genau: Vor ziemlich genau 25 Jahren waren sie meine erste große Bekanntschaft, Liebe entwickelte sich aus uns beiden aber nie. Irgendwie waren wir uns zwar so nah, doch sind uns über all die Zeit auch stets fremd geblieben: Die Geschichte zwischen den Zwängen und mir scheint eine Never-Ending-Story zu sein, dabei hatte ich eigentlich nie darauf bestanden, dass wir sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten zusammenhalten. Trotzdem schleppte ich diese Liaison durch Schulzeit, Beruf und die jetzige Rente hinter mir her. Ein störender Klotz am Bein, den ich gar nicht eingeladen hatte, bei mir zu bleiben. Er machte sich einfach breit, ob nun im Kopf oder auch in meinem Verhalten. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen wurden somit zu einem Wegbegleiter, auf den ich gut hätte verzichten können. Andersherum schien man das aber wohl nicht so zu sehen und deshalb wasche ich mir heute noch immer 30 Mal am Tag die Hände oder kontrolliere die Haustür beim Abschließen weiterhin 10 Mal. Immerhin konnte ich meinen unliebsamen Partner damit aber schon zu zwei Dritteln aus meinem Alltag verbannen, denn heute reichen mir drei Stunden täglich, in denen ich mich mit den Zwängen wohl oder übel befassen muss.

Aber steckt dahinter ein tatsächlicher Therapie-Erfolg? Oder ist einfach jemand Neues in mein Leben getreten, der den Zwängen ihre Position streitig macht? Auf den ersten Blick könnte man dies zumindest vermuten, denn seit 2018 bin ich an Parkinson erkrankt und widme mich seither insbesondere körperlichen Beschwerden. Nicht mehr die Pflastersteine zählen oder 18 Stunden täglich grübeln. Stattdessen versuche ich mich heute an gänzlich anderen Herausforderungen: Dass ich morgens sicher aus meinem Bett aufstehen kann (nicht, weil ich vielleicht depressiv wäre, sondern weil über Nacht bleierne Muskelsteifigkeit über mich hereingebrochen ist), dass ich beim Kaffeetrinken vor lauter Zittern die Tasse in der Hand behalte oder dass ich bei der Langsamkeit meiner Bewegungsabläufe nicht irgendwann stehenzubleiben drohe. Auch wenn es schwierig zu vergleichen sein mag und vielleicht an dieser Stelle manch einen Betroffenen verwundert: Hätte ich anfangs wählen und mich entscheiden können, ob Zwänge oder Parkinson - ich hätte erstes genommen. Denn obwohl die Zweifelskrankheit mindestens ebenso viel Besitz über mich ergriffen hat, schien sie mir eher bewältig- und berechenbar als diese neurologische Erkrankung mit ihren vielen Gesichtern und Erscheinungen, die jeden Tag eine neue Überraschung für mich hat.

Sicherlich sind die Zwänge nun an die zweite Stelle gerückt. Dabei gefällt ihnen das gar nicht. Denn wer sie kennt, weiß selbst ganz genau: Sie fordern ständige Aufmerksamkeit von uns. Wenn sie nicht mehr im Mittelpunkt stehen, rebellieren sie eigentlich. Doch ich kann davon bislang nichts feststellen. Der Parkinson hat den Zwang zurückgedrängt - und offenbar hat er sich das auch gefallen gelassen. Diese Erkenntnis erstaunt ganz mich besonders, denn ich hatte immer gedacht, dass sich die Zwangsstörung nie den ersten Rang streitig machen lässt. Ob ich mit der Konstellation jetzt zufriedener bin, kann ich hierbei nicht wirklich sagen. Während der emotionale Leidensdruck bei der Zwangserkrankung deutlich höher war, plagen mich nun die Sorgen um meinen körperlichen und geistigen Verfall und es ängstigt, welch schwierigen Verlauf die Schüttellähmung in den nächsten Jahren wohl nehmen wird. Während ich bei den Zwängen trotz all ihrer Bedrohlich- und Aufdringlichkeit fast nie das Gefühl des vollständigen Kontrollverlusts über die Psyche und mich hatte, ist es jetzt anders. Wenn mich der Parkinson vor handfeste Halluzinationen stellt, mich bis zur absoluten und schmerzhaften Unbeweglichkeit schikaniert, meine Stimme schwach macht, mich nur noch in Zeitlupe voranschreiten lässt, ich mich durch ihn ständig verschlucke und keine aufrechte Sitzhaltung mehr einnehmen kann, meine Muskeln sich verdrehen und verkrampfen und ich morgens kaum noch sicher sein kann, ob ich weiß, wie ich die Kaffeemaschine bedienen und die Zahnbürste benutzen muss, frage ich mich schon, ob es dann nicht einfacher gewesen ist, Zwängen zu entgegnen, die zwar mein Denken und Handeln verändert hatten, aber mich in der Persönlichkeit und Integrität kaum antasteten. Schlussendlich wohl irgendwie eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie relativiert aber keinesfalls die unheimliche seelische wie auch soziale Belastung, die mit der Zwangsstörung einhergegangen war und lange geblieben ist.

Welche Schlussfolgerung ziehe ich aus der persönlichen Geschichte für andere Betroffene? Nein, ich wünsche es niemandem, sich zunächst eine andere Krankheit zulegen zu müssen, damit die Zwänge in den Hintergrund drängen. Aber vielleicht dennoch eine Quintessenz: Ritualhaftes Denken und Handeln hat im Dasein von uns Betroffenen allzu viel Freiräume, sich dort genüsslich ausbreiten zu können. Erst, wenn wir den Zwängen ein Gegengewicht entgegenstellen und sie damit nicht mehr die erste Geige spielen lassen, sind sie genötigt, die Umkehr anzutreten. Denn ihr so forderndes Naturell nach dem Rampenlicht auf der Bühne unseres Alltags verträgt sich nicht damit, ihnen unsere Konzentration zu entziehen. Denn Zwänge speisen sich vor allem aus der Fokussierung, mit der wir uns ihnen zuwenden. Das Schlimmste für sie ist, wenn wir ihnen Platz zur Entfaltung ihres Narzissmus nehmen. Geschehen kann dies gerade durch Therapieansätze, die sich bemühen, unsere Achtsamkeit auf alternative Dinge im Leben zu richten. Wer mit seiner Körperwahrnehmung dauernd bei den eigenen Fingern ist, wird um das wiederkehrende Händewaschen kaum herumkommen. Auch die Neubeurteilung von Glaubenssätzen, Assoziationen und Kausalketten kann dieser Entwertung der Zwänge dienlich sein. In der Vergegenwärtigung, dass uns zwanghaftes Tun und Denken nur deshalb so quält, weil wir grundsätzlich skeptisch eingestellt sind und uns insofern mit der vom Gesunden abweichenden Negativhaltung gegenüber allem und jedem selbst die Basis dafür schaffen, Furchtsamkeit aufrechtzuerhalten, kann Veränderung liegen.

Wer nun dankend darauf verzichtet, sich eine zweite Krankheit zuzulegen, um die Zwänge endgültig loszuwerden, den möchte ich auf deutlich einfachere Möglichkeiten hinweisen: Bauen wir uns ein Pendant zur Zwangsstörung, das in der Lage ist, sie neidisch zu machen. Entziehen wir ihr die Macht und den Einfluss, indem wir unser Bewusstsein neu kanalisieren. Was bei mir der Parkinson gewesen sein mag, das kann für Andere ein stabiles, erfüllendes Hobby oder eine Beschäftigung sein. Oder eine sinnstiftende Beziehung zu Freunden und Bekannten, Partner oder Familie. Ein ausfüllender Alltag mit viel Ablenkung und fordernden Komponenten. Glaube oder Wissenschaft, Politik oder Philosophie. Themen, die uns wirklich interessieren und fesseln können. Die obligatorische Therapeutenfrage ist nämlich zu Recht: Was würden wir denn den ganzen Tag tun, wenn wir plötzlich keine Zwänge mehr hätten?

Autor: Dennis Riehle | Selbsthilfeinitiative Zwänge Konstanz | E-Mail: info(ä)selbsthilfe-riehle.de


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Und weil noch eine Seite übrig ist,
hier noch ein Neben-Ergebnis der Reise nach München:



(Die meisten kennen die Brücke nur von oben: A9 München-Ingolstadt)


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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26