Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief August 2025

Titelseite

Inhalt:
   - Leere SHG trotz Psychotherapiemangel?
   - Anfrage für einen Zeitungsartikel
   - Aufruf der Aktion "Kein Platz im System"
   - Meine Perspektive: Wir irren uns empor
   - Mit sozialer Angst ins Krankenhaus - zweiter Versuch

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Leere SHG trotz Psychotherapiemangel?

Vor Kurzem (→1) war in der Zeitung (erste Seite im Lokalteil!) ein halbseitiger Artikel über die Versorgungslage mit Psychotherapieplätzen. Es ging um lange Wartezeiten und warum die die Versorgungsquote nach einer veralteten Formel berechnet ist. So daß keine neuen "Kassensitze" (Praxen) mehr dazukommen. Das ist eine wichtige Frage. Doch als Selbsthilfeverein möchte der intakt e.V. die Fragen als Diskussionsansatz in den Raum stellen:
- Ist diese Übernachfrage/Angebotslücke auch bei der Selbsthilfe und in der Peer-Beratung existent?
- Wenn nein: Warum nicht? Warum kommen die Leute in der PT-Wartezeit nicht zu uns? Weil Selbsthilfe angeblich "nichts Richtiges" ist? Werden wir übersehen, wird nach uns garnicht erst gesucht?
- Wie erreichen wir die Leute, daß sie unsere Angebote mindestens für die Wartezeiten-Überbrückung nutzen?
- Können wir auf den Artikel reagieren, indem wir auf unsere Niedrigschwelligkeit hinweisen?
- Wie kriegen wir PT dazu, auf unsere Angebote als Wartezeitenfüller hinzuweisen?
Der intakt e.V. hat bei einem Selbsthilfetag ein Plakat dazu ausgestellt:


↑1 Braunschweiger Zeitung, 22.7.: "Kein Platz für die Psyche? Das Therapie-Dilemma"




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Anfrage für einen Zeitungsartikel

Die "Braunschweiger Zeitung" sucht nach Vorabsprache mit dem intakt e.V. eine Person, die eigene soziale Ängste in einem Artikel vorstellt. Vor kurzem (12.6.) hat der selbe Redakteur einen ähnlichen Artikel "Schwerbehinderter verzweifelt bei Jobsuche" veröffentlicht. Dieser ist ein guter Eindruck, wie "unser" Text aussehen kann.
Eine Anonymisierung ist nach Auskunft des Redakteurs machbar, etwa mit geändertem Namen und ohne Foto oder mit einem Symbolbild. Der intakt e.V. hat weitere Arten von Anonymisierung genannt: eine unserer Gruppen ließ sich von hinten fotografieren, eine andere von Ortsfremden vertreten (wie es auch die anonymen Alkoholiker tun). Dies gibt auch Leuten von "auswärts" die Chance, mitzumachen.
Interesse bitte an den intakt e.V., Kontaktdaten stehen im Pressum.


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Hallo in die Runde,

ich bin Mareike - MFA in der Gemeinschaftspraxis Frellstedt.
Schon lange erlebe ich, wie alles leise, aber stetig zerbricht.
Zu wenig Personal.
Zu viele Patienten.
Praxen auf dem Land schließen - und keiner kommt nach. Und das wird leider noch schlimmer werden.
Wir versuchen jeden Tag, irgendwie durchzuhalten. Aber wie lange noch?

Ich bin an einem Punkt angekommen, an dem ich es einfach nicht mehr ertragen kann, hilflos zuzuschauen, wie alles zerbricht.
Deswegen habe ich das Projekt
@kein_platz_im_system
auf Instagram gestartet.

Dort zeige ich, was oft untergeht.
Und vielleicht auch das ein oder andere, was manche gar nicht wissen.
Wie wir MFAs kämpfen.
Wie Ärzte am Limit sind.
Und wie Patienten am Ende ohne Versorgung dastehen.

Ich mache das, weil es für mich eine Herzensangelegenheit ist.
Weil mir die Menschen wichtig sind.
Weil es hier nicht nur um Zahlen, Strukturen oder Zuständigkeiten geht -
sondern um Menschlichkeit.
Um Zusammenhalt.
Um Nächstenliebe.
Es geht darum, zusammenzuarbeiten - und nicht gegeneinander, wie es leider viel zu oft der Fall ist.

Aktuell ist das erste Ziel, so viele Menschen wie möglich für dieses Projekt zu gewinnen.
Oder für die Seite.
Die Aktion.
Wie auch immer man es nennen will.
Denn eins ist sicher:
Wenn wir weiter schweigen, wird sich nie etwas ändern.

Ja - es kann sein, dass auch dieser Versuch am Ende scheitert.
Aber wir dürfen nicht aufhören, es zu versuchen -
auch wenn wir längst alle müde sind,
auch wenn wir glauben, dass wir als normale Menschen eh nichts verändern können.

Bitte helft mir, laut zu werden.
Für alle, die es nicht mehr selber können.
Für alle, die ohne Arzt und ohne Versorgung dastehen.
Für alle, die Hilfe brauchen.
Für alle, die in diesem System untergehen.

Und auch wenn ihr zweifelt -
wenn ihr euch in nur einem einzigen Satz hier wiederfindet -
dann schließt euch an.

In der Braunschweiger Zeitung ist bereits ein Artikel für die Helmstedter Region erschienen. Zwei Radio-Termine stehen an.
Weitere Gespräche laufen.

@kein_platz_im_system

Folgt.
Teilt.
Redet darüber.
Denn wir sind mehr, als man uns glauben lässt.

Danke, für jeden, der sich die Zeit genommen hat bis hier hin zu lesen.

Liebe Grüße
Mareike


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Wir irren uns empor
Von Wolfgang Chr. Goede

ZUSAMMENFASSUNG
   - Psyche bleibt ein Tresor mit sieben Schlössern
   - Ein Schlüssel dafür: sich zu seinen Schwächen bekennen
   - Mitmachen bei der "Zeitenwende Mentalgesundheit"!


Unlängst nahm ich an der Hochschule München bei einem Science Slam teil. Wissenschaftsthemen mit Humor in nur 10 Minuten zu pitchen, darum geht's. Die Hälfte aller Studierenden kämpft mit Ängsten aller Art, weshalb ich für eine "Mental Health Zeitenwende" eintrat, die Entstigmatisierung aller psycho-sozialen Themen (→1). Das sollte ein Zeichen setzen, sich selbst und anderen gegenüber einzuräumen, dass wir weder Super-frau und Supermann sind, sondern allesamt mit Schwächen ringen, egal welcher Herkunft. Das entlastet, "ist die Hälfte der Miete auf dem Wege zur Besserung", lautet die Botschaft.
Locker vor großem Publikum erzählte ich, was bei mir der große Angst-auslöser gewesen war, nämlich ein Schwächeanfall. Todesängste hatten mich jahrelang verfolgt, kein Therapeut konnte helfen, sodass ich mich für die Selbsthilfe als letzten Ausweg entschied. Wobei ich mir geschworen hatte: Mich fortan allen Ängsten kompromisslos auszusetzen. Das war wie eine Umprogrammierung, dauerte, aber irgendwann stellte der Erfolg sich ein, sodass ich mich heute im Großen und Ganzen angstfrei wähne.
Beim Vorbereiten meines Auftritts war mir klar geworden, dass in meinem Leben ich viel größeren traumatischen Erfahrungen ausgesetzt gewesen war, die mich allerdings nicht weiter belastet hatten: einer Verfolgungsjagd mit dem Messer in Paris, spektakuläre Unfälle mit dem Auto wie mit dem Fahrrad; und gleich zweimal bin ich nach meinem Schwächeerlebnis in eine richtige Ohnmacht gefallen, einmal richtig öffentlich, aber das hat mich seltsamerweise und anders als erwartet nicht weiter berührt.
Verflixt, warum hat mich damals vor Jahrzehnten dieser eine Vorfall, eher eine Lappalie so aus der Bahn geworfen? Ich müsste doch Panik vor Messer schieben, vorm Reisen und fremden Städten, vorm Verkehr. Mitnichten, ich wurde Weltreisender und bin eingefleischter Radler. Auch im dichtesten Verkehrsgewühl und auf steilen Anden-Trails schenkt das Velo mir beglückend große Freiheit. Ein Paradoxon! Ist ihm mit Vernunft und analytisch, unserem forscherischen Werkzeug, beizukommen?
Ich glaube, wir müssen uns damit abfinden, dass Seele und Psyche ein ziemlich weißer Fleck bleiben in unseren Leben. Wenig festnagelbar, irgendwie ein Lotteriespiel, mal so, mal so, so zufällig mitunter wie Kaffeesatzleserei. Aber genauso wenig rational ist, warum wir uns mit unseren Schwächen so verstecken. Fehlt es hier nicht an mangelhafter Pädagogik, Sozialhygiene, auch an Zivil-courage? Wenn die Welt heute als zunehmend unwirtlicher Ort wahrgenommen wird, hat das nicht auch ein wenig mit uns allen, jeder und jedem selbst zu tun, unserem Verstecken?
Während die Physiologie des Körpers als weitgehend erforscht gilt, bleibt die Mentalgesundheit und ihr Zusammenwirken mit der Gesellschaft eine weitgehend verschlossene Schatzkiste, für die uns noch der Code zum Öffnen fehlt.
Auf dem Wege aus diesem Labyrinth schöpfe ich Mut aus dem Philosophen der Aufklärung, Emanuel Kant (1724-1804). "Sapere Aude", wage zu denken, wage zu wissen, auch unabhängig von den großen Autoritäten, wage dir auch Unwissen einzugestehen - bleib lebenslang lernend. Oder mit einem Literaten, Samuel Beckett (1906-1989, siehe Zeichnung) und seinem berühmtesten Satz:
"Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better." Auf Deutsch mit dem Astrophysiker-Naturphilosophen Harald Lesch sowie dem Physiker-Kabarettisten Vince Ebert: "Wir irren uns empor."

↑1 https://cs.hm.edu/aktuelles/newsdetail/news_detailseite_444480.de.html




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Mit sozialer Angst ins Krankenhaus - zweiter Versuch

ZUSAMMENFASSUNG
   - Abläufe / Meine Erlebnisse im Krankenhaus
   - Unterschiede zum letzten Krankenhaus Aufenthalt
   - Verbesserung der sozialen Angst / ÖPNV Problematik


Zuerst möchte ich auf die Artikel "Hemmschwellen beim Arztbesuch", aus dem Rundbrief Dezember 2022, https://www.schuechterne.org/rb226.htm und "Mit sozialer Angst ins Krankenhaus", aus dem Rundbrief August 2024, https://schuechterne.org/rb244.htm hinweisen.

Vorlauf

Letztes Jahr wurde ich am Bauch operiert. Vor ein paar Monaten hatte ich wieder Schmerzen im bereits operierten Körperbereich. Nach einer kürzeren Bedenkzeit als beim letzten Mal und inzwischen sichtbaren körperlichen Veränderungen habe ich wieder den Hausarzt aufgesucht. Diesmal konnte der niedergelassene Facharzt übersprungen werden und ich bin zeitsparend direkt zur Voruntersuchung ins Krankenhaus übergegangen. Diesmal fanden so der erste Arztbesuch und der OP Termin innerhalb eines Monats statt. Für mich war alles entspannter, da der Verlauf vom letzten Mal relativ klar war. Allgemein hilfreich war für mich auch, dass die medizinischen Vorgänge unbemerkt abliefen und es keinen Menschen gab, der mir vorher Angst vor den Untersuchungen und dem Krankenhaus Aufenthalt machen konnte.

Etwas merkwürdig kamen mir noch zwei Anrufe aus dem Krankenhaus vor, zeitlich sehr nah zu meinem neuen OP Termin. Beide Male fragten sie: "Haben Sie nach Ihrer Operation noch Beschwerden?" Ich antwortete, dass ich für eine zweite Operation bald wieder im Krankenhaus sein werde. Letzten Endes waren es Routine Anrufe anhand einer Patienten Liste. Es war aber zeitlich sehr blöd für mich, kurz vor einer geplanten OP, Anrufe aus dem Krankenhaus zu bekommen. Da ging bei mir sofort das negative Kopfkino los und ich dachte an eine Verschiebung der Operation, Einreichen von Unterlagen oder Missverständnisse.

Patientenaufnahme im Krankenhaus (am Vortag)

Die verwaltungstechnische Aufnahme war zwischenmenschlich völlig okay. Die Person in der pflegerischen Aufnahme hingegen war etwas unfreundlich. Es gab u.a. neugierige Fragen zur Sozialphobie, "Wie können Sie damit Ihr Leben führen?" und "Sind Sie auch in Therapie?", das fand ich sehr übergriffig und es hatte auch nichts mit der Pflege zu tun. Immerhin wurde noch nach einer möglichen Pflegestufe gefragt, was in dem Kontext noch Sinn ergab. Dazu fragte die Person meine Daten ab, obwohl ich diese gerade erst in Ruhe in einem Fragebogen eingetragen hatte. Aufgrund meiner Nervosität fand ich das sehr fehleranfällig, auf meine Frage dazu wurde patzig reagiert. Das Thema zur Rasur des OP Bereichs wurde diesmal überhaupt nicht angesprochen. Für meine Nervosität, habe ich dann noch einen Beweis bekommen, da die Pulsmessung 110 Schläge pro Minute ergab (später im Krankenbett waren es 62 Schläge / min).

In der Chirurgie Aufnahme war ich etwas verwundert, dass neben dem Chirurg noch ein junger Mann mit im Raum war, welcher wenige Minuten vorher schlicht meine Unterlagen angenommen hatte und im Raum selbst kein Wort sagte. Bei der körperlichen Untersuchung hatte ich wieder einen Würgereiz, wie schon bei der Voruntersuchung ein paar Wochen vorher, diesmal wurde mir aber erklärt, dass es keine ungewöhnliche körperliche Reaktion ist. Gut fand ich, dass alles ausführlich untersucht wurde, was vor der letzten OP nicht so ausführlich gemacht wurde. Zeit für meine Fragen war wieder vorhanden, diesmal waren die Antworten aber nicht mit Anekdoten versehen. Auf Nachfrage wurde mir sogar der interne OP Bericht mit Fotos von meiner letzten Operation gezeigt. Leider ergab sich auch durch weitere Fragen keine genaue Ursache für die erste und zweite Verletzung, es wurden dazu nur ein paar Vermutungen geäußert. Diesmal wurde mir aber mitgeteilt, dass die ersten fünf Tage Schonung nach der OP entscheidend sind und mir wurde daher von einem langen Rückweg zu Fuß abgeraten. Das war in dem Moment zwar ein Problem für mich, aber eine sehr hilfreiche Information. Die Aufnahme in der Anästhesie war recht schnell erledigt und ich hatte auch keine Fragen.

Hinfahrt

Die Hinfahrt konnte ich diesmal nicht mit dem Fahrrad erledigen, da wie geschrieben, der Arzt von einem Rückweg zu Fuß abgeraten hatte (dazu das Fahrrad schieben). Das war ein Schock, da ich so nach 7,5 Jahren wieder mit dem ÖPNV fahren musste. Somit musste ich mich noch am Tag der Patientenaufnahme, um ÖPNV Fahrkarten kümmern, immerhin hatte ich schon Wochen davor herausgefunden, wo ich Tickets im Vorverkauf bekomme. Weiterhin musste ich noch recherchieren, welche Straßenbahn bzw. Bus Linie das Krankenhaus gut erreicht. Dazu bin ich noch zur passenden Start Haltestelle gegangen, um sicher zu sein, dass dort die Linie auch wirklich abfährt. Am OP Tag musste ich, um 7 Uhr in der Krankenhaus Station sein, daher bin ich kurz nach 3 Uhr morgens aufgestanden, um dem Kreislauf bzw. Magen / Darm genug Zeit zum Aufwachen zu geben. Leider war ich aufgrund der frühen Uhrzeit und der Nervosität wieder oft auf Toilette und hatte Angst vor einer Haltestelle und einer Straßenbahn ohne Toilette. Zur Beruhigung trug ich eine Windel. An der Straßenbahn Haltestelle wartete glücklicherweise auch nur eine weitere Person. Dazu fragte ich auch noch die Straßenbahnfahrerin, ob sie wirklich zum Krankenhaus fährt. Ich war zu mehreren Zeitpunkten nervös: Zu Hause vor dem Losgehen, beim Warten an der Haltestelle, beim Warten in der Bahn bis sie losfuhr, danach wurde die Nervosität weniger. Danach war es eine ruhige Fahrt mit der Straßenbahn bis direkt vor das Krankenhaus, sozusagen eine kleine Stadtrundfahrt am frühen Morgen.

Krankenhaus Aufenthalt und Operation

Im Krankenhaus angekommen, ergab sich auf der Chirurgie Station eine lange Wartezeit, beim letzten Krankenhaus Aufenthalt hatte ich das so nicht erlebt. Während der Wartezeit fand die morgendliche Visite auf der Station statt und das Frühstück wurde parallel verteilt. Ich nutzte die Wartezeit, um mich etwas umzusehen und stellte dabei fest, dass ich nur wenige Meter von den mir bekannten Räumlichkeiten entfernt war. Durch die lange Wartezeit stieg wieder meine Nervosität an und es folgten daraus Toilettenbesuche. Ab 7 Uhr waren fünf Leute in diesem Wartezimmer auf der Station. Ich musste mehr als zwei Stunden warten, bis für mich ein Bett frei wurde, vor mir konnte auch nur eine Person einem Zimmer zugewiesen werden. Wenn erst nach der Visite Betten frei werden, hätte auch eine spätere Patienten Aufnahme erfolgen können.

Auf dem Zimmer war ich gegen 9.20 Uhr, die geplante OP war aber schon für 10.30 Uhr angesetzt. Ich war etwas überrascht, dass ich in einem Dreibettzimmer aufgenommen wurde, es wurde dann aber erläutert, dass ich nach der OP in ein Zweibettzimmer verschoben werde. Ich wollte dann aber doch in diesem Dreibettzimmer bleiben, da ich mich schon daran gewöhnt hatte, der Patient neben mir war okay und der dritte Patient war mit einem Raumteiler abgegrenzt. Ich wollte auch nicht, dass meine persönlichen Sachen in ein neues Zimmer umgeräumt werden, während ich mich in der OP befand. Ich habe die Brille wieder früh abgesetzt und als Selbstschutz verwendet, es hat wieder gut geklappt und ich kann mich nicht mehr an genaue Personen erinnern, da alles verschwommen war. Das Beruhigungsmittel wirkte durch die kurze Zeit bis zur OP nicht vollständig und ich habe die Fahrt zum OP und auch die OP Vorbereitungen vollständig mitbekommen, bei der letzten OP hatte ich nur zwei konkrete Erinnerungen an diesen Zeitabschnitt.

Das Ausschlafen nach der Narkose war diesmal kürzer als bei der letzten OP, dadurch war ich früher mit den Schmerzen konfrontiert. Ich kann mich an zwei Infusionen und vier Schmerztabletten am Nachmittag nach der Operation erinnern. Zusätzlich hatte ich teilweise mehr Kopfschmerzen als Schmerzen im OP Bereich und verlangte zwei Mal nach Kühlpaketen für die Stirn. Die Operation war diesmal auch etwas größer als beim letzten Mal und es waren drei Tage Aufenthalt vorgesehen. Ich war froh, dass ich länger bleiben durfte und so länger versorgt und beobachtet wurde. Eine Besonderheit nach der OP war für mich diesmal ein Behälter mit Schlauchverbindung zum Körper, welcher das Wundsekret auffing, der Anblick war sehr gruselig. Beim Verlassen des Bettes musste ich trotz Bewegungseinschränkung immer mit einer Hand den Behälter festhalten. Leider hatte ich in der Bewegung Schmerzen, besonders das Aufrichten war schmerzhaft, im Stillstand hatte ich kaum Schmerzen. Der dritte Patient wurde noch an meinem OP Tag entlassen und es kam kein neuer Patient in das freie Bett. Somit lag ich nach wenigen Stunden sozusagen nur noch in einem Zweibettzimmer. Ein weiteres Problem war die reguläre Nüchternheit vor der Operation, das letzte Essen hatte ich am Abend vorher gegen 22 Uhr, erlaubt war bis 24 Uhr, das letzte Trinken gegen 4 Uhr morgens. Das Abendessen im Krankenhaus gab es dann gegen 17.30 Uhr, somit etwa 19,5 Stunden ohne Essen. Zum regulären Abendessen gab mir die Krankenschwester noch ein Brot und ein Stück Käse zusätzlich, dass hat mich sehr gefreut.

Am nächsten Tag war auch schon Wochenende. Zusätzlich zum regulären Frühstück gab es noch einen Joghurt vom Zimmernachbarn. Die morgendliche Visite fiel kleiner aus als beim letzten Aufenthalt und es war alles schnell erledigt. An diesem Vormittag wurde auch der zweite Patient entlassen und ich war nur noch alleine auf dem Zimmer. Somit war die Toiletten Problematik nicht mehr der Fall, wie bei 2-3 Patienten auf dem Zimmer. Am Wochenende wurden bei mir auch keine neuen Patienten ins Zimmer geschoben, für Montag waren die Betten aber schon mit Namen vorbereitet. Zu zweit auf dem Zimmer war wieder erträglich, alleine war es dann doch zu ruhig und nur die Visite und das Essen ergaben eine Abwechselung. Die kurze Zeit zu dritt auf dem Zimmer war aber doch zu viel Menschenkontakt. Bei diesem Krankenhaus Aufenthalt konnte ich auch ein Mittagessen ausprobieren. Die Essensmenge und die Abwechselung innerhalb der Mahlzeit waren wieder ganz zufriedenstellend. Im Laufe des zweiten Tages ging ich das erste Mal auf dem Stationsflur und ging ein paar mal den Flur auf und ab. Der Flur diente dann auch dem Menschenkontakt, viel Besucher Betrieb konnte ich auf dem Flur aber nicht wahrnehmen. Am Wochenende war allgemein wenig los, es waren auch weniger Ärzte und Pfleger unterwegs.

Die ärztliche und pflegerische Betreuung habe ich als freundlich und entspannt wahrgenommen, sicherlich war dabei das Wochenende auch ein wichtiger Faktor. Es ergaben sich zwei kurze Gespräche mit dem Pflegepersonal, ein nettes Gespräch zu meinem Heilungsprozess und ein weiteres Gespräch zu einer sogenannten Schwesternuhr. Das ist eine Art Taschenuhr am Band, welche an der Arbeitskleidung getragen wird. Früher war die Uhr für die Puls Messungen notwendig, heute ist sie dafür nicht mehr nötig, aber immer noch praktisch, da kein Handy oder Armbanduhr für das Ablesen der Uhrzeit erlaubt sind.

Die Entlassung war an einem Sonntag und es war zeitlich sehr entspannt, da kein neuer Patient mein Bett benötigte. An dem Morgen bestand die Visite nur aus einer freundlichen Ärztin und diese fragte von sich aus, ob ich noch Fragen hätte. Nachdem die Blutwerte okay waren, konnte ich meine Sachen packen. Im letzten Jahr war die Entlassung ein deutlich negativer Punkt.

Rückfahrt und Nachwirkungen

Die Rückfahrt war schon vorher etwas blöd, da ich wusste, dass die Straßenbahn sonntags nicht fährt und die Haltestelle direkt vor dem Krankenhaus nicht in frage kommt. Somit musste ich recht langsam bis zur nächsten passenden Bushaltestelle gehen und dort wieder etwas länger warten, wodurch ich wieder nervös wurde, aber die Windel hat wieder zur Beruhigung beigetragen. Nach etwas Ablenkung durch den Busfahrplan, nahm ich eine andere Buslinie, die mich etwas früher über einen anderen Weg Richtung Wohnung fuhr. Leider erwischte ich einen Busfahrer mit einer sportlichen Fahrweise, dies führte zur Angst, um den gerade erst operierten Bereich und ich hatte Probleme mich richtig abzustützen. Dazu war ich überrascht wie voll der Bus für einen Sonntag morgen war, ich hatte mit einen leeren Bus gerechnet. Eine Rückfahrt mit der Straßenbahn wäre vermutlich ruhiger gewesen, eine solche sportliche Fahrweise wäre auf Schienen nicht möglich gewesen. Ich war aber noch so körperlich eingeschränkt, dass der gesamte Weg, wie nach der letzten OP, zu Fuß mit Abstützen auf das Fahrrad nicht möglich gewesen wäre, die Strecke hätte sehr lange gedauert. Schon bei dem Rückweg im letzten Jahr, musste ich einige Pausen auf Parkbänken einlegen, dazu hatte ich damals auch noch Glück mit dem Wetter.

Trotz einer ähnlichen Operation im letzten Jahr, waren die Phänomene bei der Wundheilung etwas anders und somit wieder mit Ängsten belegt, dass hoffentlich alles richtig verheilt. Wie im letzten Jahr, hatte ich eine gewisse Grundskepsis bzw. Angst bereits bei "falschen" Bewegungen, bei zu viel Strecken zu Fuß oder bei Einkäufen mit geringen Gewicht schon wieder einen Schaden angerichtet zu haben. Nach dieser Operation war ich u.a. körperlich nicht in der Lage am Tag nach der Krankenhaus Entlassung den Arzttermin wahrzunehmen. Mit einer Schmerzmittel Gabe zu den Mahlzeiten, konnte ich die ersten Tage zu Hause relativ schmerzfrei überstehen.

Fazit

Ein positiver Nebeneffekt war, das ich seit sehr langer Zeit wieder mit dem ÖPNV gefahren bin und es relativ gut funktioniert hat. Glücklicherweise musste ich nicht zu Stoßzeiten oder mit Schülern fahren. Die nicht vorhandene Toilette in Bus und Straßenbahn machte mich aber weiterhin nervös.

Meine Sozialphobie und meine anderen Ängste haben sich in diesem speziellen Fall verbessert, da ich die Räumlichkeiten, die medizinischen Behandlungen und einige Angestellte des Krankenhauses bereits von meinem letzten Aufenthalt kannte. Ich habe keine besonderen negativen Erfahrungen mit dem ärztlichen oder pflegerischen Personal gesammelt. Durch das Wochenende hatte ich auch Glück mit dem Zimmer und hatte zeitweise sozusagen ein Zweibettzimmer bzw. Einbettzimmer. Dazu war alles recht ruhig und es war auch auf dem Flur weniger los.

Dazu hat bei mir allgemein eine weitere Normalisierung zu gesundheitlichen Themen stattgefunden. Ich habe wieder erfahren, wie einfach es ist, gesundheitliche Hilfe zubekommen. Ein Arztbesuch und auch ein Krankenhaus Aufenthalt sind nicht schlimm und sind immer hilfreich. Es gab keine Vergleiche zwischen den Patienten und es waren keine Rechtfertigungen notwendig, Medikamente wurden mir mit dem Essen geliefert und weitere Schmerzmittel konnte ich ordern.

Leider wurde meine Gesundheit durch meine Eltern vernachlässigt und parallel wurde Leistungsdruck aufgebaut. Bei gesundheitlichen Themen wurde ich belogen und blockiert und es gab keine Aufklärung zu gesundheitlichen Fragen. Inzwischen zeigt sich, was für ein enormer Schaden dadurch angerichtet wurde.

Anonym


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zuletzt am 09.08.2025 um 19 Uhr 52