Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Februar 2022

Titelseite

Inhalt:
   - Online-Studie zu Stigmatisierungserfahrungen
   - "Im neuen Jahr will ich mehr..."
   - Weshalb ich mich in der Selbsthilfe engagiere!
   - Filme, die die Welt erklären, Teil 17
   - Die Furcht vor Psychopharmaka ist heutzutage weitgehend unbegründet!

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ZITAT

"Auf dem Schlachtfeld der großen Gefühle
bin ich schon oft verwundet worden
immer nur Dramen mit dem Damen
küssen und schlagen, lieben und morden
Und dann eines Tages, hab' ich mir gedacht
jetzt wird hier nur noch auf cool gemacht
ich baute 'ne Mauer um mein Herz
keine Love-Stories mehr,
aber auch keinen Schmerz.
Doch jetzt knallst du in mein Leben,
und ich kann mich nur ergeben
du kommst wie'n Überfallkommando
und ich bin k.o.
und das Eis beginnt zu tauen,
und es ist zu spät abzuhaun
und ich merk', ich lieb' dich so -
egal, ich geh' jetzt voll auf Risiko.""

Udo Lindenberg, "Du knallst in mein Leben"



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Online-Studie zum Einfluss von gesundheits-bezogenen Stigmatisierungserfahrungen

Menschen mit psychischen Störungen oder körperlichen Erkrankungen erleben im Alltag häufig Stigmatisierung durch die Gesellschaft bspw. durch abschätzige Blicke, Kommentare oder systematische Benachteiligungen.

Wiederholte Stigmatisierungserfahrungen können bei Betroffenen Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln bewirken. Diese können wiederum Einfluss auf die soziale Wahrnehmung haben. Also darauf, wie gut wir die eigenen Gefühle und Bedürfnisse sowie die unserer Mitmenschen erkennen und darauf reagieren können.
Diese möglichen Veränderungen wollen wir gezielt untersuchen. Dazu wird ein etabliertes, wissenschaftlich anerkanntes Testverfahren eingesetzt, das emotionale Intelligenz und Empathie misst. Inwiefern Betroffene von Stigmatisierung beeinflusst werden, möchte ich gerne in einer Studie heraus finden. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse könnten unter anderem Therapiemodule zum Thema Stigmatisierung entworfen und modifiziert werden.

Die Studie wird anonym durchgeführt, kann jeder Zeit abgebrochen werden und findet online statt.

Teilnahmebedingungen: Sie...
- leiden aktuell an einer diagnostizierten Angststörung oder starkem Übergewicht (Adipositas, BMI>30) oder sind gesund
- sind mindestens 18 Jahre alt
- verfügen über sehr gute Deutschkenntnisse
- haben keine Seh- oder Hörbeeinträchtigung
- haben keine akute Psychose und sind nicht suizidal

Der Link zu der Studie ist: https://www.soscisurvey.de/vorbefragung_stigma/
Wir freuen uns, wenn Sie sich für eine Teilnahme an unserer Studie entscheiden!

Dr. Stefan Salzmann, M.Sc. Laura Gärtner
Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Psychologie
Klinische Psychologie & Psychotherapie
Gutenbergstraße 18, 35032 Marburg
06421-28 23838
onstigma(ä)uni-marburg.de


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"Im neuen Jahr will ich mehr..."

ZUSAMMENFASSUNG
   - Was ist das Schöne daran, wenn Vorsätze scheitern?
   - Silvester-Vorsätze sind schon im alten Jahr umsetzbar
   - Auch jedes andere feste Datum ist für Vorsätze geeignet


Sie gehören zu Silvester dazu: die sogenannten "guten Vorsätze". Jedenfalls für die scheinbare Mehrheit der Leute. Für uns Therapieleute ist ja das ganze Leben ein guter Vorsatz.

In der Tageszeitung an Silvester habe ich dazu mehr als eine ganze Seite gefunden. Pro, Contra, wie es doch klappen könnte. Ich vermute aber, das Scheitern gehört dann doch dazu. Es ist Teil des lustigen Spiels, das viele ohnehin nicht ernst nehmen. Daher ich möchte mal zwei Theorien aufstellen:
1. Einen guten Vorsatz scheitern zu lassen gibt (wie eine andere Silvestertradition, das Böllern) das befreiende Gefühl, mal alle Warnungen spontan zu übertreten, "einmal verrückt sein und aus allen Zwängen fliehen" (→1). Aber um das zu können, müssen Warnungen und Zwänge eben vorhanden sein.
2. Die Leute wollen sich oft zeigen, daß sie zusammengehören, eben "Kumpel" sein. Dazu ziehen sie sich gegenseitig in die Mitte, ins Mittelmäßige. Sie wollen keine "Luschen" ohne Ehrgeiz sein, die keine Pläne und keine Erfolge haben und mit ihrem Bettelbecher von der Straße gejagt werden. Um sich davon zu distanzieren, müssen Pläne da sein und die Ansage, sie zu erreichen. Aber sie wollen auch keine "Streber" sein, die den Erfolg über die Freundschaft stellen und denen von den nicht so erfolgreichen Mitmenschen die Brille vom Kopf geschlagen wird. Um sich davon zu distanzieren, müssen Pläne scheitern. Zumindest nicht erfolgreicher sein als die Pläne der anderen.

Aber oft ist ja doch der Wunsch da, daß der gute Vorsatz gelingen soll. Auch auf die Gefahr hin, den vielen "sicheren Tips" zum Gelingen einen weiteren hinzuzufügen, möchte ich meine Idee dazu bringen:
Den Willen zur Disziplin nicht ab Silvester, sondern bis Silvester. Bis zu einem festen Zieltermin, der sich aus alten festen Traditionen ergibt und daher nicht geändert werden kann. Silvester ist ja genau sowas: Mitternacht-Neujahr ist, wenn die Sonne im Norden steht (→2) und nicht anders. Erst dann fliegt der Korken aus der Sektflasche und nicht eher. Wer möchte, kann natürlich eher, aber dann ist es nicht die Erlösung nach langem spannenden Warten. Das zählt nicht.
Das Konzept ist im religiösen Bereich bekannt bei z.B. Pessach oder Ramadan, die christliche Fastenzeit zwischen Karneval (→3) und Ostern ist etwas unpopulär geworden. Ich selbst habe die "Wassertage": kein Alkohol, kein Koffein am 29., 30. und 31. Dezember.
Klingt hart? Ist es auch. Aber ich kenne es auch, daß ich mich vorher doch drauf freue. Und auch ich habe ein rituelles Fasten-Ende: das Prost-Neujahr-Gläschen.

Wer ab Silvester einen guten Vorsatz auf feste Zeit umsetzen möchte: Es bieten sich als Zieltage Karneval oder Ostern an, oder für die Kurzstrecke der Dreikönigstag. Es gehen auch große individuelle Feiertage, z.B. der Hochzeitstag. Wichtig ist, daß sie fest sind, nicht nach Belieben oder Suchtdruck vorgezogen werden können.

Auf eine andere Weise den festen Termin bietet der Leitsatz der anonymen Suchtgruppen: "versuche, HEUTE clean zu bleiben", dort ist also die Nacht die Zielzeit. Die natürlich am nächsten Morgen von vorn losgeht, was der nächste kleine Schritt ist.

Und zum Schluß noch ein Vorsatz-Programm für die Gruppe:
Das "Wunschzettelverfahren", das wir vor Jahren bereits im Rundbrief vorgestellt hatten. Hierbei wird der gute Vorsatz auf einem Zettel notiert, dann von anderen (z.B. der Gruppenleitung) bis zum Stichtag verwahrt. Hier wird also die "Peinlichkeit" vor anderen therapeutisch benutzt. Weitere Infos dazu bietet die Arbeitskarte der Gruppe Dortmund und der intakt-Rundbrief von Juni 2005 (→4).

Julian / Braunschweig

P.S.: Die Abstinenz am 31.12. führte schon mehrmals zu einem Dialog, wenn ich bei einer Silvesterparty auftauche:
"Hallo, schön daß du da bist" Willst du"n Bier?"
"Nein, dieses Jahr trinke ich keinen Alkohol mehr."
"DAS willst du wirklich durchhalten?!"
"Ach, die zwei Stunden gehen schon rum."
"Äh, achso ja."

↑1 Udo Jürgens, "Ich war noch niemals in New York"

↑2 Das ist astronomisch sehr ungenau ausgedrückt, reicht aber für den Anspruch einer Silvesterparty.

↑3 Das Wort zeigt noch den Sinn des Festes als Beginn der Fastenzeit: "carne vale" heißt "Tschüß, Fleisch".

↑4 www.schuechterne.org/rb052.htm




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Geteiltes Leid ist halbes Leid: Weshalb ich mich in der Selbsthilfe engagiere!

ZUSAMMENFASSUNG
   - Selbsthilfe ist gelebte Solidarität als Hilfe für eigene und fremde Lebensprobleme.
   - Der Zusammenschluss von Betroffenen erlaubt eine starke Stimme gegenüber Politik und Gesellschaft.
   - Als Bürgerbewegung ist die Selbsthilfe eine unabhängige Vertretung zur Stärkung der Eigenverantwortung.


Mittlerweile engagiere ich mich seit 17 Jahren in der Selbsthilfebewegung. Nachdem ich anfangs vor allem in Organisationen aktiv war, die sich für die Prävention und Aufklärung psychischer Erkrankungen einsetzen, gehöre ich heute unterschiedlichen Verbänden an, weil mich das Konzept von Selbsthilfe überzeugt hat.
Nachdem es bereits nach dem zweiten Weltkrieg aufkam, als sich die trauernden Witwen der Opfer in den Hinterzimmern der Kneipen trafen, um ihren Verlust gemeinsam zu verarbeiten, war es in den 1970er-Jahren die Idee der Anonymen Alkoholiker, die bis heute als Vorreiter in der Selbsthilfearbeit gelten und durch ihre stringente Gruppenführung zu Kontroversen geführt haben. Deshalb hatten sich spätestens in den 80er-Jahren die ersten Selbsthilfegruppen gegründet, die nicht unpersönlich angelegt waren und auch in ihrer Gruppenleitung keinem festgezurrten Ablauf folgten. Viel eher rückte der offene Austausch in den Mittelpunkt.

Bis heute sind es die Werte der Selbsthilfe, die mich überzeugen: Der niederschwellige Kontakt mit Mitbetroffenen und Angehörigen, die genau wissen, wie man sich in der Situation einer bestimmten sozialen Problemlage oder im Umgang mit einer konkreten Erkrankung fühlt. Die Erkenntnis, dass auch andere Menschen von solch einer Krankheit heimgesucht werden, ist eine Erleichterung. Denn schlussendlich gilt das Sprichwort wie die Faust aufs Auge: Geteiltes Leid ist halbes Leid! Wer sein Leiden, seine Ängste und Nöte im "Handling" der eigenen Situation mitteilen kann und auf niederschwelliger Ebene mit jenen auf Augenhöhe in Kontakt kommen darf, die alle Zumutungen einer Erkrankung selbst erleben, statt sie nur aus Fachbüchern zu kennen und gelesen zu haben, vermag in eigenverantwortlichem Handeln wachsen und erfährt Bestätigung.

Selbsthilfe soll uns zu Menschen machen, die ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und nicht dabei zusehen, wie sie von Krankheit oder sozialen Engpässen gelenkt werden. Sie ist ein Ansporn zu proaktivem Agieren und ermutigt zugleich, aus dem breiten Erfahrungsschatz der Betroffenen-Gemeinde zu profitieren. Freiheit und Solidarität vereinigen sich in der Selbsthilfe: Wir werden autonome Wesen, weil wir dazu bereit sind, uns der Aufgabe zu stellen, Gegebenheiten nicht nur hinzunehmen, sondern unser Leben mit einer Last zu gestalten. Daneben bringen wir aber aus eigener Biografie einen Schatz bei, den wir in den gemeinsamen Topf der vielen guten Ratschläge werfen können, die in einer Selbsthilfevereinigung zustande kommen. Jeder leistet seinen eigenen Beitrag. Es ist ein Geben und Nehmen. Vieles, was ich noch nicht weiß, können mir ebenfalls Betroffene vielleicht beantworten. Und zu dem, wo sich manch Anderer unsicher ist, kann möglicherweise ich etwas sagen.

Die Gründe, sich in einem Selbsthilfeverein zu engagieren, liegen für mich auf der Hand:

- Eine Patientenorganisation ist politisch neutral.
- Sie wird nicht von ökonomischen Interessen getrieben.
- Ein Selbsthilfeverband ist nicht von wirtschaft-licher Lobby, wie den Pharmaunternehmen, abhängig.
- Eine Patientenorganisation hat aufgrund ihrer Mitgliederzahl gesellschaftliches Gewicht.
- Mit einem Selbsthilfeverband können Einzel-interessen gebündelt vorgebracht werden.
- Patientenorganisationen können Erfahrungswerte von Betroffenen und Fachpersonen zusammenbringen.
- Ein Selbsthilfeverband weiß um Fragen und Sorgen, die Erkrankte und Angehörige täglich beschäftigen.
- Eine Patientenorganisation genießt durch ihre Unabhängigkeit in Politik und Gesellschaft ein hohes Ansehen.
- Selbsthilfe kann durch finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand unbeeinflusst arbeiten.
- Durch Mitwirkung unterschiedlicher Akteure kann sie Expertise aus verschiedenen Perspektiven vorweisen.

Selbsthilfe macht aus Aussichtslosigkeit eine Perspektive, weil mir Mitbetroffene Zuversicht geben, dass auch sie es geschafft haben, mit Unwägbarkeiten zu existieren. Sie zeigen mir Wege auf, wie ich mich mit Krankheit und sozialer Härte versöhnen kann. Ihnen kann ich vertrauen, weil sie all das, was auch mir bevorsteht, am eigenen Leib ertragen haben - aber sich gleichsam damit arrangieren und aus dem Übel vielleicht sogar eine Chance herausgearbeitet haben. Aus der Not eine Tugend machen - diese Vorstellung von Selbsthilfe leitet mich.

Dennis Riehle
Selbsthilfegruppenleiter
Martin-Schleyer-Str. 27, 78465 Konstanz
info(ä)selbsthilfe-riehle.de


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Filme, die die Welt erklären
Teil 17: Anarcho-logisch

ZUSAMMENFASSUNG
   - Wie weit taugt Pippi Langstrumpf als Vorbild?
   - Wie sehr kann sie doch Vorbild sein?
   - Trotz aller Anarchie hat sie auch "normale" Fähigkeiten


In dieser Folge geht es um das berühmte Mädchen aus Schweden, die sich mit vollem Namen "Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Ephraimstochter Langstrumpf" nennt.
Sie gilt in anarchisch-antiautoritären Kreisen als Vorbild und Symbolfigur. Aber dabei machen auch die sich die Welt, wie sie ihnen gefällt. Sie übersehen, wie Pippi sich Luxus und Freiheit leisten kann: ihr Vater versorgt sie kofferweise mit Goldstücken. Daher die Frage:
Wo hat der das viele Gold überhaupt her, aus seinem Job als Kapitän? Wirft der Betrieb seines Segelschiffs "Hoppetosse" soooo viel Profit ab? Er wird seiner Besatzung deutlich mehr als Mindestlohn zahlen, damit die nicht irgendwo auf See die antiautoritäre Frechheit seiner Tochter nachmacht. Aber er ist ja nicht nur Kapitän, sondern auch - ach je, nicht das Thema. Ich möchte es nicht mal ignorieren.
Stattdessen eine Quizfrage: Was könnte mich dazu bringen, gegen jeden Gewissens-Einwand Rassist zu werden?
A: Worte wie "Negerkönig" in Kinderbüchern
B: rassistische Ideologien, die mich zum "Herrenmenschen" erklären, mich freundlich-respektierend auf ihre Seite ziehen und mich später an irgendeiner Ostfront verheizen
C: rassistische Ideologien, die mich zum "Untermenschen" erklären und gegen die ich mich wehren muß, besser zu früh als zu spät und zu hart als zu weich
D: Gutmenschelig-Tolerante, die beim Wort "Negerkönig" lauter protestieren als gegen Rassismus der Sorte C

Aber egal was für ein König. Denn die Welt kennt tatsächlich Länder, deren Königstochter auf Staatskosten eine Dauerparty im Ausland macht. Die Menschen aus solchen Ländern heißen oft "Armutsflüchtlinge" und finden Asyl fast nur noch in - Achtung - Deutschland und Schweden.

Aber ich will hier nicht die Pippi schlechtmachen. Ich hab als Kind ja auch gern die Filme geguckt. Und auch die Bücher gelesen, wie oben an ihrem vierten Vornamen erkennbar (→1). Pippi lebt ja tatsächlich den Traum vieler Kinder (und Erwachsenen) aus.
Diese können sich fragen: Wie kann auch ich mir meine Träume erfüllen, auch ohne Haus, Äffchen, Pferd und Papas Gold? Ist es nicht tatsächlich effektiver, sowas wie Plutimikation nicht langweilig in der Schule zu lernen, sondern "fürs Leben", da wo es benötigt wird? Bei Papa an Bord, wenn er den Kurs nach Taka-Tuka-Land berechnet? Solche Fragen standen am Anfang vieler erfolgreicher Lebenspläne!
Sogar wer mit pippilottischer Realitätsverweigerung auf die Nase fällt, profitiert davon: das ist eben Teil des Lernprozesses, der beim Erwachsen-Werden nun mal nötig ist.

Nun aber zu der Szene, die mir (als eine von vielen) aus den Pippi-Filmen in Erinnerung geblieben ist:
Pippi ist mit den Nachbarskindern Tommy und Anika in einem Ruderboot auf eine kleine Insel im See (→2) gefahren. Plötzlich finden sie das Boot nicht mehr.
Sie sitzen auf der Insel fest - aber Pippi weiß Rat: Bei sowas muß eine Flaschenpost helfen. Die drei überlegen also, was in dieser zu schreiben wäre.
Pippis Vorschlag: "Wir haben keinen Schnupftabak und verhungern auf dieser Insel."
Tommy und Anika verstehen nicht, was das soll, widersprechen. Aber Pippi weiß, wie sie überzeugt: "Wer hat denn Schnupftabak? Leute, die Tabak schnupfen oder Leute, die keinen Tabak schnupfen?"
"Leute, die Tabak schnupfen."
"Schnupft irgendwer von uns dreien Tabak?"
"Nein."
"Also haben wir keinen Schnupftabak."

Das Schöne an dieser Szene ist, daß in ihrem offensichtlichen Schwachsinn doch eine unwiderlegbare Logik enthält. Pippi hat es treffend zusammenplutimiziert: Tatsächlich haben alle drei keinen Schnupftabak. Es bleibt zwar noch die Frage, warum das in einer Flaschenpost erwähnt werden müßte, aber diese Frage müßten Tommy und Anika erst einmal stellen.
Mit solchem Talent, sich aus unangenehmen Situationen rauszureden, ist Pippi kompetent für einige gutbezahlte Jobs z.B. in Marketing oder Politik. Da sollten die Goldstücke bald in die richtige Richtung fließen: Pippi und ihr Vater sponsern ein Krankenhaus in Taka-Tuka-Land.

Die Szene endet damit, daß sie das Boot doch noch wiederfinden. Und das sogar ganz ohne Gold und ohne Schnupftabak.

Julian / Braunschweig

↑1 In den Büchern "Pfefferminz", in den Filmen "Schokominza".

↑2 Ist halt Schweden. Viele Seen mit vielen Inseln.




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Die Furcht vor Psychopharmaka ist heutzutage weitgehend unbegründet!

ZUSAMMENFASSUNG
   - Die Vorurteile gegenüber einer psychopharmakologischen Therapie sind oftmals Jahrzehnte alt.
   - Antidepressiva der neueren Generation machen weder abhängig, noch führen sie in der Regel zu langandauernden Nebenwirkungen.
   - Als Ergänzung zur Psychotherapie haben sich Medikamente als wichtige Säule zum Durchbrechen von Angstspiralen herausgestellt.


Es ist wohl eine der häufigsten Fragen, die mich in meiner täglichen Selbsthilfearbeit erreicht: Können Psychopharmaka tatsächlich zu diesen schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, von denen man immer wieder hört? Oftmals muss ich schmunzeln, wenn ich diese Sorge von Betroffenen vernehme - gleichsam aber auch ein Kopfschütteln meinerseits. Denn ich bin durchaus beeindruckt, dass Ängste, die in den 1980er- und 1990er-Jahren durchaus berechtigt waren, bis heute überlebt haben. Denn ja, damals war die Einnahme von Antidepressiva durchaus mit massiven Begleiterscheinungen verbunden. Und das Gerücht, wonach sie abhängig machen und zu dauerhaften Körperschäden führen können, hält sich auch in den 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts beständig. Obwohl die ersten Generationen der Medikamente kaum noch im Einsatz sind und seit langem überholt scheinen, sind es gerade solche Arzneimittel aus den Anfängen der psychopharmakologischen Behandlung, die auch jetzt noch zu Verunsicherung beitragen und viele Bedenken oder gar Ablehnung bei den Menschen schüren.

Dabei haben die Präparate der neuesten Zeit sie längst verdrängt und sind heute zu anerkannten Behandlungsoptionen bei Zwängen, Phobien, Depressionen und anderen psychosomatischen wie psychiatrischen Krankheitsbildern geworden. Gerade der Umstand, dass die aktuell verwendeten, sogenannten "Selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer" (SSRI/SNRI) nicht auf das Zentrale Nervensystem direkt einwirken und auch - entgegen vieler falscher Vermutungen - keine Hormone darstellen, die der Patient zu sich nimmt, müsste eigentlich Panikgefühle vor der medikamentösen Therapie relativieren. Denn es handelt sich bei diesen Psychopharmaka "lediglich" um Botenstoffe für das Gehirn, welche dabei helfen, die vom Körper ausgeschütteten "Glücksbringer" länger im Synaptischen Spalt der Nervenzellen verharren zu lassen und damit ihre Wirkung ausdehnen. Es ist also keinerlei Eingriff in die tatsächlichen Stoffwechselabläufe zu befürchten, sondern allein ein Verstärken der ohnehin vorhandenen biochemischen Informationsübertragungen im Kopf.

Oftmals werden in aller Pauschalisierung solche Antidepressiva mit anderen Psychopharmaka und Neuroleptika verwechselt und in einen gemeinsamen Topf geworfen. Dabei verbietet sich jedwede Generalisierung in dieser Hinsicht schon deshalb, weil die Wirkweise eine völlig unterschiedliche ist und keine Vergleichbarkeit besteht. Oftmals werde ich gefragt, ob man von "diesen" Medikamenten nicht süchtig wird. Ich selbst nehme SSRI/SNRI nun seit knapp 20 Jahren mit einigen Unterbrechungen, in denen sich bei ordnungsgemäßem "Ausschleichen" der Präparate zu keinem Zeitpunkt Absetzsymptome zeigten oder ich gar ein Verlangen nach dem Wiederansetzen verspürte - denn: Antidepressiva bergen kein Abhängigkeitspotenzial in sich, sondern sind nach möglichen, anfänglichen Nebenwirkungen wie Zittern, Magen-Darm-Beschwerden, Mundtrockenheit, Schwitzen, Schlafstörungen, Sehstörungen, Herzstolpern oder Muskelschmerzen ein in aller Regel gut verträgliches Mittel zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, die in Kombination mit einer psychotherapeutischen Versorgung ein Gesamtkonzept zur Verringerung der Symptomatik darstellen. Sie stehen in keinem Zusammenhang zu Benzodiazepinen und Tranquilizern, also Beruhigungsmitteln mit eindeutiger Suchtgefahr, welche deutlich in das Nervensystem eingreifen und deshalb zwar eine schnelle Linderung von Unrast mit sich bringen, aber rasch zur Unverzichtbarkeit führen.

Solche "Anxiolytika" oder "Hypnotika" sind ähnlich wie Schlafmittel der "Z-Generation" für den kurzfristigen, über wenige Tage oder Wochen andauernden Gebrauch gedacht, um in akuten Problemsituationen eine Minderung des Anspannungsniveaus erreichen zu können. Gleichsam sind die heute kaum noch eingesetzten "MAO"-Hemmer als eine Unterklasse der Antidepressiva mit erheblichen Nebenwirkungen besetzt, weil sie auf Enzym-Ebene wirken und sich durch starke Wechselbeziehungen mit anderen Arzneimitteln überdauert haben. Auch die trizyklischen Antidepressiva kommen heute zumeist kaum noch zum Einsatz. Wenngleich ihre unerwünschten Wirkungen überschaubar sind und ihre chemische Ringstruktur schon große Ähnlichkeiten zu den Präparaten aufweist, die heute als SSRI/SNRI auf die Neurorezeptoren einfließen, dienen sie dieser Tage vor allem der schmerzlindernden Begleittherapie und kommen höchstens noch als ergänzende Medikation bei Panik-, Zwangs- und Angsterkrankungen, selten gleichsam als Monotherapie bei verschiedenen Formen der Depression, in Betracht - und spielen daher eine nachgeordnete Rolle.

Neuroleptika als klassisches Mittel zur Behandlung der Erkrankungen aus dem psychotischen Umfeld sind zwar weiterhin unverzichtbar bei schizophrenen und wahnhaften Störungen. Bei neurotischen Krankheitsbildern kommen sie lediglich dann ins Blickfeld, wenn Gedanken und Handlungen des Betroffenen dazu neigen, paranoide Züge anzunehmen. Auch bei depressiven Episoden mit einer Tendenz zu Wirklichkeitsverzerrungen kann unter hohem Leidensdruck ein Antipsychotikum sinnvoll sein, zumal manche von ihnen als Begleitwirkung auch positiven Einfluss auf die affektive Schwingungsfähigkeit haben. Gerade die Neuroleptika der neueren Generation, die atypischen Varianten, sind in ihrer Verträglichkeit deutlich gestiegen und weisen wie die "niedrigpotenten" und "mittelpotenten" mit mäßig antipsychotischer, abschirmender und sedierender Wirkung vergleichsweise zu erduldende Nebenwirkungen auf. Gleichsam sollte der Einsatz aller Antipsychotika regelmäßig auf seine Notwendigkeit überprüft werden, da mögliche Langzeitfolgen im Bewegungsapparat nicht vollends auszuschließen sind und ohnehin jedes Medikament stets reflektiert werden muss. Es sollte nicht allein zum Selbstzweck dienen, sondern der Besserung von Symptomen.

Als "positiven" Beifang kann man auch bei den Antikonvulsiva (Medikamente zur Behandlung der Epilepsie) entsprechende antidepressive Wirkungen erkennen. Gleichsam sind sie nicht für die vorrangige Behandlung der psychischen Krankheiten gedacht, können aber ähnlich wie manches Parkinsonmittel ergänzend einen guten Einfluss auf die seelische Verfassung haben. Somit ist die Auswahl an Arzneimitteln, welche zur kombinierten Therapie von psychiatrischen Störungsbildern genutzt werden können, recht weitreichend und heutzutage bei Einhaltung einiger Spielregeln mit wenigen unerwünschten Effekten verbunden - insbesondere im Bereich der Antidepressiva, von denen die meisten mittlerweile auch für neurotische Probleme wie Zwangserkrankungen, Angst- und Panikstörungen, Verhaltensstörungen, Persönlichkeitserkrankungen, dissoziative Störungen oder Anpassungserkrankungen zugelassen sind und zu vielversprechenden Ergebnissen führen.

Ich würde all das nicht sagen, wäre ich nicht selbst Betroffener und hätte ich nicht die meisten der genannten Medikamente auch schon einmal eingenommen. Meine Befürchtungen waren anfangs ebenso groß wie jene vieler Patienten, die auch heute noch zweifeln, ob eine Arzneimitteltherapie für sie in Frage kommt. Wer Antidepressiva sorgfältig einschleicht, anfängliche Nebenwirkungen über maximal wenige Wochen aushält und den Eintritt des Wirkungsspiegels abwarten kann, hat gute Aussichten, von Medikamenten als zusätzliches Angebot zur Behandlung stark profitieren zu können. Ich wäre heute nicht so psychisch stabil, diesen Artikel zu verfassen, hätte ich auf die psychiatrische Intervention mit Psychopharmaka vorschnell verzichtet. Das soll kein Appell und keine Überredung sein, sondern eine Ermutigung, sich eigens und umfassend mit dem Thema zu befassen, anstatt auf das Gesagte der letzten Jahrzehnte zu vertrauen, was dieser Tage nicht mehr haltbar und hinfällig ist.

Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine medizinische, therapeutische oder heilkundliche Konsultation!

Dennis Riehle
Professioneller Psychologischer Berater (zertifiziert) | Grundlagenmedizin (zertifiziert) Entwicklungspsychologie (zertifiziert) | Sozialrecht (zertifiziert) | Prävention und Gesundheitsförderung
Martin-Schleyer-Str. 27 | 78465 Konstanz | www.dennis-riehle.de | Beratung(ä)Riehle-Dennis.de


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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26