Laura, August 2011
Der Liebe muß ich Zeit zum Wachsen geben
Julian Kurzidim, 35
"Was halten die anderen von mir? Lachen die über mich? Bevor ich vor Fremden etwas sage oder tue, setzt sich in meinem Kopf ein Gedankenkarussell in Gang. Soll ich? Soll ich nicht? Oft bleibe ich still, sage nichts, verharre einfach.
Mein Problem ist: ich bin schüchtern, und zwar seit ich denken kann. Ich bin so geboren: sensibel, akribisch - und ja, still, in mich gekehrt. Meine Eltern haben nie verstanden, warum ich so bin und versucht, mich in eine andere Rolle zu drängen. Lauter und duschsetzungsstärker. Das klappte nicht. Eher im Gegenteil. Als ich in die Schule kam, war ich ein Außenseiter. Zwar hatte ich immer einen guten Freund, aber sonst war ich allein. Ich wusste nicht, wie ich mit den anderen Kindern sprechen soll. Mein Freund hat versucht, mir in dieser Sache Nachhilfe zu geben und mir erklärt, was man sich auf dem Schulhof erzählt. Dennoch habe ich mich einsam gefühlt, aber über die Schüchternheit konnte ich nicht reden, auch nicht mit meinem Freund.
Während meines Studiums habe ich mir zum ersten Mal psychologische Hilfe geholt. Zunächst nur, um die Prüfungen durchstehen zu können, später habe ich dann eine Gesprächstherapie gemacht. Dabei musste ich einmal mit einer roten Kappe durch die Stadt gehen - ich war verwundert, dass ich gar nicht so aufgefallen bin, wie ich befürchtet hatte.
Nur von außen betrachtet, bin ich der stille Typ in der Ecke, der keine Freunde und niemals Spaß hat. Als Jugendlicher war ich auch nur drei- oder viermal auf Partys. Heute finde ich es gut, dass ich so Saufgelage und Mutproben verpasst habe.
Aber leider sind so auch die Frauen an mir vorbeigegangen. Bis heute würde ich nicht ohne Weiteres eine ansprechen. Es könnte ja sein, dass sie sich belästigt fühlt. Das oberflächliche Partygeschwafel liegt mir ohnehin nicht. Das ist nun mal so. Bis ich mich auf eine Frau einlassen kann, dauert es ziemlich lange.
Vor Jahren habe ich die Selbsthilfegruppe "intakt e.V." gegründet, um mich mit anderen Schüchternen auszutauschen. Das hat auch meinem Seibstbewusstsein gutgetan und ich habe auch meine Ex-Freundin über die Gruppe kennengelernt. Wir habe nuns über eineinhalb Jahre langsam angenähert und daraus ist später Liebe geworden. Auch meine letzte Freundin habe ich im Internet kennengelernt. Sie hatte mich einfach angeschrieben. Aber wir haben uns zu schnell in die Beziehung gestürzt. Derzeit habe ich leider keine Partnerin.
Allgemein sind mir schüchterne Menschen lieber. Die sind auch gar nicht so still, sondern sehr interessant, wenn man ihnen die Zeit gibt, die sie brauchen."
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