Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Februar 2006

Titelseite

Inhalt:
   - Sinn und Zweck unseres Dachverbandes intakt e.V.
   - Angst vor dem intakt e.V., Teil 1
   - Fragebogen zur Sozialphobie
   - Die Gruppenzwiebel und ihre Folgen
   - Zwischenstand Buchprojekt

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ZITAT

"Ende der neunziger Jahre wollte Roche sein Antidepressivum Aurorix vermarkten, das gegen die soziale Phobie helfen soll, eine vorgeblich krankhafte Form der Schüchternheit. Eine von Roche gesponserte Pressemitteilung behauptete, mehr als eine Million Australier litten unter dem 'die Seele zerstörenden' Syndrom, das mit Verhaltenstherapie und Arzneimitteln zu behandeln sei. Angesichts des großen Marktes rieb sich Nadjarian schon die Hände - doch dann bekamen er und seine Leute nicht einmal genügend Testpersonen für die klinischen Studien zusammen."

Spiegel 33/2003



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Sinn und Zweck unseres Dachverbandes intakt e. V.

Seit nunmehr 17 Monaten gibt es nun unseren Dachverband Intakt e. V. Der eine oder andere wird sich fragen, was ist das eigentlich, was tut der, welchen Sinn hat der überhaupt, es gibt doch die Gruppen... Oberstes Ziel unseres Verbandes sollte die praktische Unterstützung unserer Gruppen und der Arbeit an Problemen sein. Ängste, Depressionen, Schüchternheit, fehlendes Selbstwertgefühl etc. müssen abgebaut werden. Sinn und Zweck soll die Stärkung des Selbstwertgefühls beim Einzelnen sein - durch gemeinsame Aktivitäten, positive Erfahrungen und dem Erfahren gegenseitiger Hilfe.

Dies kann geschehen durch:
- regelmäßige gruppenübergreifende Treffen und gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Grillnachmittage, Tanzen, Radtouren, Wanderungen, Reisen, Ausflüge, gemeinsame sportliche Aktivitäten etc.
- das Abhalten bzw. der Besuch von Seminaren wie z. B. Selbstsicherheitstraining, Flirtkurse, Yoga-Kurse, Selbstverteidigungskurse, Tanzkurse, Gruppenleiterkurse sein.
-Rollenspiele (Theater spielen etc.)
- Gegenseitige Besuche in den Gruppen, d. h. es ist jedem Mitglied einer Gruppe möglich an den Aktivitäten und Gruppenabenden anderer Gruppen teilzunehmen.
- Hilfe und Intervention durch Einzelgespräche (ich selbst bin jederzeit dazu bereit)
- und es gibt noch viel mehr!

Unser Ziel ist es, Menschen zusammen zu bringen... Erfahrungen auszutauschen, Rückhalt und Rückendeckung durch andere Menschen zu gewähren wie auch zu finden, gemeinsam etwas zu unternehmen, positive Erfahrungen zu sammeln... Akzeptanz zu gewähren und zu finden... und eben durch positive Erfahrungen Ängste und Schüchternheit abzubauen...
Je mehr positive Erfahrungen ich sammle, je mehr Menschen ich kenne, desto mehr Rückhalt finde ich, desto stärker werde ich... desto mehr Unterstützung erfahre ich. Vor allem, wenn es mal in einer Gruppe nicht so läuft, ist es schön, aus anderen Gruppen Unterstützung zu finden.
Gemeinsam sind wir stark, der Einzelne wird durch die Gruppe stark und die Gruppe wird durch den Einzelnen stark. Ideen und Mitarbeit jedes Einzelnen sind jederzeit erwünscht!

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Vertretung der Interessen durch von Ängsten, Schüchternheit, Depressionen etc. betroffener Menschen nach außen. Dieses kann nur durch die Schaffung eines starken Verbandes und die Bündelung gemeinsamer Kraft geschehen.

Dieses geschieht durch:

a) Öffentlichkeitsarbeit
Die Gesellschaft muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß Ängste, Schüchternheit, Depressionen, Phobien in unserer Gesellschaft etwas nicht ganz so seltenes sind - und eher zunehmen als abnehmen. Ziel muß es sein, Vorurteile abzubauen, die Ursachen hierfür zu erforschen bzw. eine Diskussion über die Ursachen in Gang zu bringen, um sie zu bekämpfen.
b) Beschaffung von Geldern bei Krankenkassen etc. für die betroffenen Menschen, um diese Hilfe zu bezahlen.

Carsten / Hannover


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Angst vor dem intakt e.V., Teil 1

Ich habe das Ausmaß von Angst vor "meinem" Verein unterschätzt. Ich denke, daß ich einiges zu dieser Angst beigetragen habe. Ich möchte deshalb einige meiner Erfahrungen schildern und zeigen, daß ich trotzdem "einer von euch" bin.

Mir sind in letzter Zeit einige Gründe für eine solche Angst aufgefallen:
1. Wie schon öfter beschrieben, klingt Verein erst einmal nach einem typisch deutschen Zeitvertreib: Vereinsmeier und Postenhuber treffen sich unter der Vereinsfahne, streiten sich um die Vorstandsämter, aber sehen das alles doch bloß als einen Vorwand fürs gemeinsame Saufen.
2. Wahrscheinlich mache ich einen zu engagierten Eindruck (heut nennt man das wohl "straight" oder "tough"). Klar, daß das Menschen überfordern kann, die bei jedem Schritt mit sich selbst kämpfen müssen. Bei der letzten Vereinsversammlung hab ich es deutlich gemerkt.
3. Ein Eintrag in Peters Forum, in dem ein Gruppenleiter seine "panische Angst vor Sozialarbeitern" beschrieb, hat mir noch einen Teilbereich der Vereinsangst aufgedeckt.

Ich möchte in mehreren Teilen meine eigenen Erfahrungen zu diesen Problemen beschreiben. Mit Punkt 2 möchte ich anfangen und diese Geschichte erzählen:

Im Herbst begann ich eine Gesprächstherapie in einer renommierten psychologischen Hilfs- und Forschungseinrichtung.
Ich mußte eine Menge Fragebögen ausfüllen und kam mir dabei wie eine Mischung aus hilflosem Patienten und Versuchskaninchen vor. Ich verstehe zwar, wozu die Fragebögen gut sind, aber akzeptierendes Annehmen der Person sieht anders aus. (Seitdem kenn ich eine besondere Stärke von Selbsthilfegruppen: Wir haben fast keine Formulare!).
Das größte Problem war/ist, daß die Sitzungen auf Video aufgezeichnet werden. Ich erfuhr, daß das zur "Supervision" ist - also damit Therapeuten selbst bei einem "Supervisor" Hilfe zu ihrer Arbeit bekommen können. Das ist ja in Ordnung, aber sollte ich wirklich einen Seelenstriptease machen und nicht einmal kontrollieren können, wer davon erfährt? Sollte ich mich in eine derartiges Machtgefälle begeben? Wie sollte ich das nötige therapeutische Vertrauen entwickeln, wenn ich die Schweigepflicht nicht kontrollieren kann?

Ich sprach meine Angst vor dem Kontrollverlust offen an. Ich bot Kompromisse an: nur Tonaufzeichnung oder nur von hinten filmen. Ich erhielt zwar Verständnis - mir wurde der Stahlschrank gezeigt, die erste Sitzung wurde nicht aufgezeichnet - aber leider auch der Hinweis, daß in dieser Institution eine Therapie ohne Video unmöglich sei. Ich sprach das in meiner Selbshilfegruppe an. Außer mir waren an dem Abend vier Leute da - drei sagten, sie würden es auch nicht machen, der vierte hatte sowas schon hinter sich.
Etwas später liefen dann meine Ängste Amok: Die Therapeuten sehen es sich zusammen an wie ein Länderspiel, den Supervisor erkenn ich daran, daß er mich auf der Straße so komisch angrinst, die Kamera zeigt auf mich wie eine Selbstschußanlage, ... Mit einem deutlichen Spruch zerfetzte ich das Anmeldeformular: "Macht euren Gestapodreck ohne mich!

Als ich wieder klar denken konnte, machte ich mit der Therapeutin aus, daß ich mich zu dem Problem von anderen beraten lasse, mich dann entscheide, ob ich die Therapie mit Kamera wirklich anfange. Und daß solange mein Therapieplatz freigehalten wird.

Ich sprach für diese Beratung mit Uwe aus Peine und einem Sozialarbeiter im Gesundheitsamt. Einige Argumente dafür kamen zusammen:
- Der Supervisor sieht sich nicht alles an, nur wenig, an schwierigen Stellen ein paar Minuten.
- Die Leute da waren bisher immer verständnisvoll gegenüber meinem Problem.
- Das ist eine rennommierte Einrichtung, die werden ihr Ansehen nicht damit aufs Spiel setzen.
Das größte Argument war dann aber das, was Uwe mir sagte: "Nimm es als Überwindungsübung. Du hast schon soviele Angstschwelle überwunden. Jetzt stellt dir das Leben noch eine. Da schaffst du es auch rüber."
Das hat mich am meisten überzeugt. Nicht nur mich: Der Herr vom Gesundheitsamt meinte zuerst auch, ich sollte mir einen anderen Therapeuten suchen - aber als ich ihm Uwes Argument vortrug, war er plötzlich auch dieser Meinung.

Einen Tag später meldete ich mich für die Therapie an. Die ersten Sitzungen habe ich hinter mir. Ich versuche zwar immer noch, auf dem Film nicht erkannt zu werden, aber je mehr Vertrauen ich entwickeln kann, desto besser sollte die Therapie gehen. Das kommt noch.


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Fragebogen zur Sozialphobie

Das Netzwerk-Selbsthilfe-Sozialphobie, eine Partnerinitiative zum intakt e.V., möchte mit einem ausführlichen Fragebogen die Situation von Betroffenen genauer erforschen.
Den Fragebogen findet ihr auf der Seite des Netzwerks unter
www.sozial-phobie.net
Der Fragebogen richtet sich an alle Betroffenen unabhängig von einer Gruppenerfahrung. Er erfasst nur anonyme Daten, welche anschließend statistisch ausgewertet werden.
Wir wollen mit Hilfe dieses Bogens mehr über die allgemeine Situation von Menschen erfahren, die von sozialen Ängsten betroffen sind und insbesondere auch, welche Selbsthilfe-Angebote und Selbsthilfe-Strukturen am meisten hilfreich und gewünscht sind. Hierüber gibt es kaum Daten und die wenigen sind fast ausschließlich von sog. externen Experten erstellt worden.
Das Besondere an diesem Fragebogen ist daher, dass er ausschließlich von Betroffenen selbst formuliert und auch ausgewertet wird. Die Datenerhebung erfolgt anonym.

Um einigermaßen allgemeingültige und somit aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten brauchen wir eine möglichst große Zahl von bearbeiteten Fragebögen. Bitte schaut einfach mal rein.
Nach der statistischen Auswertung werden wir die Ergebnisse auf der Netzwerkseite und im intakt-Rundbrief veröffentlichen.

Peter / Netzwerk Selbsthilfe-Sozialphobie und Selbsthilfekreis Paderborn


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Die Gruppenzwiebel und ihre Folgen

Diese Überschrift ist zwar etwas irritierend. (Mir würden dazu auch nur die englischen Worte "union" und "onion" einfallen.) Doch ich meine eher, daß sich auch eine Gruppe aus inneren und äußeren Schalen zusammensetzt.

Schon länger habe ich das in meiner eigenen Gruppe beobachtet. Der Anteil der "Teilzeiter" - Leute, die nicht jede Sitzung besuchen - ist bei den Schüchternen in Braunschweig unverändert hoch. Dazu kommen weitere Mitglieder, die aus verschiedenen Gründen der Gruppe verbunden sind, obwohl sie nicht zu den Treffen kommen:
- weil ihnen der Gesprächskreis nichts mehr bringt
- weil sie beruflich keine Zeit haben, abends zu kommen
- oder weil sie weggezogen sind. Mitglieder, die ich vermisse, leben inzwischen von Augsburg bis Nordnorwegen.
Jede der drei Zwiebelschalen stellt etwa ein Drittel der Gruppenmitglieder.

Ich habe längst gelernt, das nicht mehr als Belastung zu sehen. Man muß nur halt drauf achten, wer gerade da ist und was man mit den Anwesenden machen kann. Nur manchmal ist es ein Problem: wenn alle Teilzeiter gleichzeitig nicht kommen (hatten wir gerade beim Kälteeinbruch).
Doch eine Frage läßt sich nicht ausräumen: "Es stehen 14 Leute auf der Adressenliste, wie können dann nur 4 heut abend da sein?

Diese Frage war für mich Anlaß, die Liste neu zu sortieren. Ich habe die neueste Auflage in zwei Rubriken geteilt: "Mitglieder im Gesprächskreis" und "Weitere Mitglieder und 'Dabeigebliebene". Zufällig erhielt ich so gleich eine neue Sicht auf die Gruppe: die Zwiebelstruktur wurde mir bewußt.
Die Gruppe ist mehr als der Gesprächskreis. Sie ist darüber hinaus ein Netzwerk von Freundeskreisen, Freizeitaktionen und ähnlichem. Ein Angebot der Gruppe - die Freunde finden, die man immer haben wollte - wird auf diese Art verwirklicht.
Es bilden sich weitere Hilfsangebote, die die Möglichkeiten des Gesprächskreises erweitern. Vor kurzem hatten wir es, daß einem von uns ein Problem schwer auf dem Magen lag. Er bekam im Gesprächskreis ein Hilfsangebot: "Du kommst zu mir, und dann suchen wir im Internet das Passende raus." Soweit ich erfahren habe, war diese Suche auch erfolg- und hilfreich.

An die Gruppenleitung stellt das natürlich den Anspruch, die Gruppe nicht in Teile zerfallen zu lassen. Aber das ist möglich. Auch der intakt-Rundbrief, der an alle verteilt (oder per Post versandt) wird, trägt zur Gesamtgruppen-Kommunikation bei.
Natürlich ist der Gesprächskreis das Zentrum. Er ist ja der feste Termin, zu dem neue Mitglieder als erste kommen. Doch die Gruppe ist eben mehr.

Julian / Braunschweig

P.S.:
Es erinnert mich etwas ans Dortmunder Konzept der Kerngruppe, vielleicht bringen wir dazu mal einen Artikel.



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Zwischenstand Buchprojekt

Für das Buchprojekt sind inzwischen neun Texte mit zusammen etwa 35 Seiten zusammengekommen. Noch 3-4 Texte bis zum 20. März, und mit dem nächsten Rundbrief kann Teil 2 der "Erlebnisberichte für Schüchterne, Sozialphobiker und sozial Isolierte" erscheinen. Also schreibt was!


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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26