Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Februar 2021

Titelseite

Inhalt:
   - "Die Coronapause macht mich träge"
   - Studie "Soziale Angststörung und Selbstwertgefühl"
   - Filme, die die Welt erklären, Teil 15
   - Peinliche Klamotten?
   - Verkaufszahlen zum "Panther"
   - Medikamente oder Selbsthilfe?
   - Hilfestellen in Braunschweig, Teil 3
   - Lukasburger Stilblüten

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ZITAT

"Je sais bien ce que je fuis, mais je ne sais pas ce que je cherche."
("Ich weiß wohl, was ich vermeide, aber nicht, was ich suche.")

Michel de Montaigne, französischer Philosoph (1533 - 1592)



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"Die Coronapause macht mich träge"

ZUSAMMENFASSUNG
   - Viele gute Projekte scheitern an fehlender Motivation
   - Wie groß muß der Leidensdruck werden?
   - Ideen existieren im Kleinen wie im Großen


Die Zwangs-Schließung bringt den Wegfall vieler Termine, Pflichten und Unterhaltungsmöglichkeiten mit sich. Tage werden gleichförmig, Kontakte schlafen ein. In der Dauer-Öde können

Fristen

untergehen, die trotzdem noch bestehen - z.B. zum Antrag auf

Gruppenfördergeld.

Einsamkeit blockiert auch die Motivation zum Hilfesuchen. Fatal für Leute, die zu schnell verloren geben. Zumal deren Ansprüche an die Welt sich nicht senken. Wo waren an Heiligabend all die Leute, die sonst in der Kirche sind? Haben die sich alle einen Heiligabend-Gottesdienst im Fernsehen oder Internet angesehen? (→1)
Ein großes Problem ist die Haltung "Onlinegruppe reicht mir nicht". Mails mit Links zu dieser bleiben unbeantwortet. Klar, es ist eine Notlösung und nicht attraktiv - aber ist eine Notlösung nicht besser als keine Lösung? Wenn nur die Hälfte erreichbar ist, ist es nicht gerade dann wichtig, wenigstens diese Hälfte mitzunehmen?
So denkt der Verstand, aber nicht die Angst.

Anderes Unterthema: Die Sprüche zur angeblich "größten Krise seit 1945" reizen zum Vergleich mit damals. Damals war ja klar: Alle mußten anpacken, um die Häuser vor dem nächsten Schnee wieder bewohnbar zu machen. Und heute? Wie groß ist der Anti-Trägheits-Druck durch Corona? Hat das Virus den Nachteil, daß seine Schäden unsichtbar sind (z.B. in der Isolierstation) und dadurch nicht zur Bewältigung motivieren? Bis auf die vielen Mitmenschen mit "Maulkondom" und die (mal mehr und mal weniger sinnvollen) Schutzvorschriften sieht die Welt ja normal aus. Sogar das Klopapier ist wieder zu haben.

Wie also weiter?

Für den Privatbereich existieren viele Ideen, wie sich die Zeit füllen läßt. Hobbys z.B. sind nicht immer ein Lebensfortschritt, aber bringen doch Abwechslung. Der "Bundesverband der Körper- und Mehrfachbehinderten" betreibt eine Webseite mit vielen Tips aus vielen Sparten. Zwei intakt-Mitglieder haben dort ihre Idee veröffentlicht:
http://bvkm.de/mitmachen/topics/der-loewe-ist-natuerlich-auch-dabei-die-heimat-neu-entdecken/

Gesamtgesellschaftlich hat ein Leserbrief zum "ängstlichen Panther" diese Hoffnung ausgedrückt: "Vielleicht ist es eine der guten Seiten der Pandemie, dass soziale Hemmungen künftig möglicherweise 'gesellschaftsfähig' werden und kein Tabuthema mehr sein müssen. Es wäre doch wirklich eine schöne Ironie des Schicksals, wenn man ausgerechnet die soziale Isolation als Gemeinschaftserlebnis wahrnehmen würde, weil es mittlerweile eben immer mehr Betroffene gibt."

Julian / Braunschweig

↑1 Ich war bei einem Freiluft-Angebot vor einer Kirche. Da waren all die Leute nicht.




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Studie "Soziale Angststörung und Selbstwertgefühl"

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Student der Psychologie an der PFH in Göttingen und schreibe zurzeit an meiner Bachelorthesis zu dem Thema "Soziale Angst-störung und Selbstwertgefühl". In meiner Studie untersuche ich den Zusammenhang zwischen dem impliziten und expliziten Selbstwert von Menschen, mit einer vom Arzt oder Psychotherapeuten diagnostizierten Sozialen Angststörung. Ich suche dringend Probanden, die für meine Studie in Frage kämen.

Aufgabe während der Teilnahme: Bitte versetzen Sie sich in eine soziale Situation zurück, bei der Sie überaus viel Peinlichkeit und Scham verspürt haben. Nehmen Sie sich Zeit und schließen Sie die Augen, um sich in diese Situation einzufühlen. Wenn Sie die Situation bildhaft vor Augen haben, gehen Sie bitte auf "Weiter" und erzählen Sie diese Erinnerung nun gerne so detailreich, aus-schweifend und ausführlich, wie Sie mögen. Eine stichpunktartige Schilderung, anhand derer Sie die Situation kurz wiedergeben, ist aber ebenso möglich. Bitte verzichten Sie dabei auf persönliche Angaben wie z.B. Namen.

Die Teilnahme der Studie dauert ca. 10 Minuten und kann zuhause am Computer oder Mobilgerät durchgeführt werden. Zudem können anhand der übermittelten Daten keine Rückschlüsse auf eure Person gezogen werden.

Ich bin für jeden einzelnen Teilnehmer und jede Teilnehmerin dankbar!

Mit freundlichen Grüßen,
Eskandar Mehrpouya

Link zur Studie:
https://www.soscisurvey.de/pfhbachelorarbeit008/


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Filme, die die Welt erklären
Teil 15: Nicht aufmachen, Geiselnahme!

Wir kennen diese Szene aus vielen Geiselnahme-Filmen: Der Verbrecher ist ins Haus der Geisel eingebrochen und bedroht diese mit seiner Waffe. Es sieht nach einer stabilen Situation aus. Beide haben sich darauf eingerichtet, soweit das überhaupt möglich und erträglich ist.
Doch dann klingelt es an der Tür.
"Nicht aufmachen!"
"Das geht nicht, das ist XYZ, wie immer um diese Uhrzeit. Wenn ich nicht aufmache, fällt das auf. Dann kommen schnell alle Nachbarn und schauen, ob mir irgendwas zugestoßen ist."
"Na gut. Mach ganz bißchen auf, wimmel ihn ab! Keine Tricks! Tu so, als wäre alles OK!" "Jaaa, äääh, wie soll ich das machen? Mir fällt da nichts ein."
Der Verbrecher wedelt etwas mit der Pistole zu den Worten "Vielleicht hilft DAS dir, damit dir was einfällt."

Na gut. Die Geisel macht also auf, nur ein wenig. Draußen steht tatsächlich XYZ. Die Geisel sagt irgendwas, schiebt irgendeine Notlüge vor, "da kannst du mir nicht helfen, das muß ich allein." XYZ glaubt es und geht wieder. Situation gerettet - zumindest im Sinne des Verbrechers.

Im Film funktioniert sowas nie, denn dem Besucher fällt doch irgendwas Verdächtiges auf, kommt heimlich nochmal wieder. So endet dann doch alles in Polizeieinsatz, Belagerung, Drohungen und einem Helden, der "überraschend" durch den Schornstein kriecht und den Verbrecher im Zweikampf knapp besiegt.

Warum fällt mir diese Szene ein? Sie erinnert mich an die Aussagen von ehemaligen Gruppen-mitgliedern, warum sie nicht mehr hingehen oder warum die Gruppe ohnehin nicht helfen könne. Oder wenn ich sie zufällig auf der Straße treffe: dann kommt fast immer der Spruch "ich wollte eigentlich schon länger mal wieder hingehen". Sagen die Leute das freiwillig oder bekommen sie in einem Sozialangst-Flash keine anderen Worte raus?

Julian / Braunschweig


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Peinliche Klamotten?

ZUSAMMENFASSUNG
   - Wer sieht uns schief an?
   - Tun sie das wirklich und wenn ja warum?
   - Wie wichtig sollen wir das nehmen?


Text eines Briefs zum Thema "peinlich vor anderen Leuten". Ich habe ihn an eine gute Bekannte geschrieben, nachdem diese meine Jacke kritisiert hatte.

Solche kleinen Themen können ein Ansatzpunkt für große Psychoklötze sein. Auch die Jacke ist ein Thema, das sehr genau ausgeführt werden muß. Die Frage "was sollen die anderen Leute von dir denken?" habe ich zu oft gehört. Leider habe ich erst mit 34 die passende Gegenfrage gefunden: "War es DIR denn egal, was ich von DIR denke?"
Hier möchte ich aber drei andere Gegenfragen stellen:
1. Wer sind diese "anderen Leute"?
2. Was sehen und denken sie wirklich?
3. Wie wichtig ist deren Meinung tatsächlich - wie sinnvoll ist es, deren (vermutete) Meinung zu befolgen?

1. Wo man mit wenigen anderen in einer Zwangsgemeinschaft ist, ist es wichtig, die anderen auf der eigenen Seite zu haben. In der Schulklasse, im Knast oder im Dorf. Hier bei uns ist aber eine Großstadt, da kann man sich aus dem Weg gehen und findet trotzdem immer Leute, die gut zusammenpassen.
Jetzt höre ich den beliebten Einwand "und was ist, wenn dir plötzlich auf der Straße XYZ, soundso, entgegenkommt und dich mit solchen Klamotten sieht?" Diese Frage kommt aus der Angst. Typisch ängstlich beschwört sie den Extremfall. In der Angsttherapie lernt man: Die Angst muß man genau ansehen, was sie ausdrücken will. Aber man darf ihr NIEMALS blind nachgeben.

2. Manche Leute fühlen sich angeguckt, weil sie gern Filmstars wären - sie möchten lieber schief angeguckt werden als überhaupt nicht. Aber darum geht es hier nicht. Denn beim Mobbing wird ja tatsächlich das Opfer angeguckt. Aber da hat man auch viele Leute, die weggucken, weil sie mit all dem keine "Scherereien" haben wollen.
Eine andere Art des Nicht-Bemerkens: die Leute kriegen es einfach nicht mit, obwohl sie es sehen oder hören. Ich habe dazu selbst vor einigen Jahren ein interessantes Experiment gemacht (→1).
Aber auch wenn die Leute tatsächlich nichts sehen, bleibt das peinliche Gefühl, sie könnten es sehen. Das ist wieder die Angst wie bei Punkt 1: Also ernst nehmen, genau ansehen - und dann abbauen.

3. Das eine Extrem hatte ich schon genannt: all die feigen Leute, die lieber vorauseilend befolgen, was andere fordern KÖNNTEN. Denen die Meinung der Unbekannten auf der Straße wichtiger ist als die der eigenen Bekannten. Oder gar der eigenen Kinder!
Das andere Extrem sind Gruppen wie Punker, mit ihrer Haltung "wir sehen auch wie wir aussehen, fickt euch" - wobei sie immerhin den Mut haben, der auch sonst im Leben oft benötigt wird. Zuviel, aber immerhin.
Das Beste ist, selbst zu entscheiden: Will ICH das anziehen, fühle ICH mich dabei gut? Oder mach ich das nur, weil andere gucken könnten? Oder nur, um mich gegen jene zu wehren, die ständig dran rummeckern?

Julian / Braunschweig

↑1 siehe intakt-Rundbrief 3/16: "Siehst du das jetzt erst?", www.schuechterne.org/rb163.htm




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Verkaufszahlen zum "Panther"

Auch für 2020 hat unser Partner, der Festland-Verlag in Wien, die Zahlen übermittelt:

2011-2019

2020

Gesamt

Verkauf über Festland-Verlag (ab 2016)

191

27

218

Verkauf über Projekte-Verlag (2014 Insolvenz)

140

-

140

Verkauf über intakt e.V.

162

6

168

Verkauf über Guten-Morgen-Buchladen

8

-

8

Freiexemplare für Mitwirkende

18

-

18

Rezensionsexemplare

5

-

5

Vereins-Mediothek

2

-

2

Gesamt

526

33

559

Das Buch ist weiterhin im Buchhandel, über den Festland-Verlag oder den intakt e.V. erhältlich.


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Medikamente oder Selbsthilfe?

ZUSAMMENFASSUNG
   - Wollen wir gesagt bekommen, "wo es lang geht"?
   - Muß es unbedingt der scheinbar kurze Weg sein?
   - Versucht es auch mit euren eigenen Stärken


Immer wieder fallen mir gewisse Zeitschriften auf, es ist ein ganzes Segment. Jedes Mal - wirklich jedes Mal - ist die größte Schlagzeile auf dem Titel zum Thema "Abnehmen". Was da nicht alles angepriesen wird: die Apfel-Diät, die Kohl-Diät, die Buchstaben-Diät, die Schweinefleisch-Diät, die Wodka-Diät und die Jetzt-aber-wirklich-Diät.
Warum mir das jetzt einfällt? Ich bin vor kurzem nach "guten Medikamenten" gefragt worden.

Dazu ist die Selbsthilfe nicht kompetent. Medikamente sind der Bereich, wo "gut" sehr genau diagnostiziert werden muß. Nicht nur auf Seiten des Medikaments (bekannte Nebenwirkungen), sondern auch zur Person selbst: Allergien, parallel genommene andere Präparate (Wechselwirkungen!). Der Tip "bei mir wirkt das auch immer" kann sehr in die Irre führen.
Das beliebte Argument gegen Konfrontations-Übungen - "da kann ja sonstwas passieren, da krieg ich einen Flash und dann..." - gilt bei Medikamenten genauso. Keine Therapie ist ohne Risiko. Die Frage ist dann eben, wobei ein Risiko hingenommen wird und wobei als Argument - oder Vorwand - zum Ablehnen eingesetzt.

Warum also wirken Medikamente attraktiver als Selbsthilfeprogramme? Es liegt wohl am übermächtigen Wunsch, schnell aus der Scheiße rauszukommen. Der ist ja auch verständlich, die schlimmen Folgen der Angst (oder des tatsächlichen oder befürchteten Übergewichts) sind täglich zu spüren. Da raus soll es der einfachste Weg sein. Und der soll nicht auch noch lang und mühselig gesucht werden. Schnell irgendwas, was von einer kompetent aussehenden Seite als "gut" angepriesen wird (→1).
Was in der Praxis heißt: der Weg, der an seinem Anfang als der einfachste erscheint. Auch noch die 20. Diät-Schlagzeile zu lesen ist angenehmer und schneller als zu joggen, auf Schokolade zu verzichten oder die Diättips dann wirklich umzusetzen.
Für Eigeninitiative muß erst die Erfahrung oder Einbildung überwunden werden, das hätte ja bisher auch nie geklappt "und überhaupt ich kann ja nichts".

Angeblich ist Sozialphobie der Auslöser in jedem zweiten Fall von Alkoholismus (→2). "Angst wegsaufen" als ironischer Ratschlag wird auch in den Gruppen immer wieder genannt.
Alkohol und Tabak haben immerhin einen Vorteil. Nicht in der Wirkung, aber im Image: ihre Risiken und Nebenwirkungen werden laut und deutlich kommuniziert. "Endlich mal ehrlich!" Kein Beipackzettel versucht sie auf Seite 2 kleingedruckt zu verstecken, im Gegenteil, sie bedecken die halbe Schachtel. Da ist kein Platz mehr für die beliebte Angst, Jens Spahn, Bill Gates oder "das System" könnten uns darüber etwas verschweigen (→3).

Andererseits ist eine positive Sache: Leute, die 20 Diäten oder 20 Psychopharmaka ausprobieren mit der Hoffnung "jetzt aber wirklich", haben wenigstens noch diese Hoffnung vom besseren Leben. Das ist ja auch gut. Aber sie haben wohl nicht die Orientierung, einen Weg dorthin zu finden.

So zynisch wie mit der "Jetzt-aber-wirklich-Diät" möchte ist diesen Text auch beenden: Falls ihr 5 Therapeutinnen, 2 Kliniken, 4 Medikamente, 2 legale und 2 illegale Drogen, eine radikale Ideologie und 3 Wunderheiler "verbraucht" hat - versucht es zur Abwechslung mal mit euren eigenen Stärken. Wenn ihr keine sehen könnt, seht nochmal hin. Sie sind da.

Julian / Braunschweig

↑1 Diese komplizierte Formulierung zeigt deutlich, daß eine Lösung eben doch nicht so einfach ist wie ersehnt.

↑2 Quelle: "Emotion", August 2007 - die Zeitschrift, in der ich vorgestellt wurde.

↑3 Und wenn er mehr Impfungen möchte, wird er das beim Corona-Impfstoff nicht tun. Da darf nicht mal den Verdacht entstehen, daß was faul sein könnte.




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Hilfestellen in Braunschweig
Teil 3

Hier ist nun die zweite Erweiterung der Hilfenliste. Seht sie alle durch, es existiert mehr als gedacht. Es finden sich Hilfen für Probleme, die von vielen schon als "unlösbar" abgehakt wurden. Und natürlich gilt auch diesmal: Solche Angebote hat man nicht nur in Braunschweig. In anderen Städten heißen sie zwar anders, aber sie sind da. Nutzt sie!

(Die ersten zwei Teile sind online: www.schuechterne.org/rb203.htm und /rb205.htm)

Trauerbeistand

Lincolnstraße 47
38112 Braunschweig
Tel.: 0531 124340
E-Mail: kontakt(ä)trauerbeistand-ev.de
Website: http://www.trauerbeistand-ev.de
https://www.braunschweig.de/leben/senioren/04_beratung/sterbebegleitung.php

Schuldenberatung

DRK Kreisverband Braunschweig-Salzgitter e. V.
Münzstraße 16
38100 Braunschweig
Tel.: 0531 1238490
Fax: 0531 12384929
E-Mail: schuldnerberatung(ä)drk-kv-bs-sz.de
Website: http://www.drk-kv-bs-sz.de/nc/angebote/beratung/schuldnerberatungsstelle.html
Persönliche Erstberatung: Mo. 15:00 - 17:00 Uhr

ADN Schuldner- und Insolvenzberatung e. V.
Außenstelle Braunschweig
Löwenwall 6
38100 Braunschweig
Tel.: 0531-4811471

BSS e.V. Schuldnerberatung
Rudolfstr. 5
38114 Braunschweig
Tel.: 0531 2876431
E-Mail: info(ä)bss-beratung.de

weitere Kontaktstellen im Link: https://www.braunschweig.de/leben/senioren/04_beratung/schuldnerberatung.php

Opferhilfe

Stiftung Opferhilfe Niedersachsen
Büro Braunschweig
Schillstraße 1
38102 Braunschweig
Tel: 0531 7019156 (Montag: 09:00 - 12:00 Uhr)
https://www.opferhilfe.niedersachsen.de/nano.cms/Opferhilfebueros/details/braunschweig

Weißer Ring, Außenstelle Braunschweig
Herr Matthias Jago
Thüringenplatz 13
38124 Braunschweig
Tel.: 01515 5164638
E-Mail: Matthias-jago(ä)t-online.de
http://www.wir-fuer-braunschweig.org/braunschweiger-initiativen/soziale-initiativen/item/61-weisser-ring-e-v

weitere Kontaktstellen im Link:
https://www.braunschweig.de/leben/senioren/04_beratung/opferhilfe.php


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Lukasburger Stilblüten

ZUSAMMENFASSUNG
   - Ein 62 Jahre altes Heft mit Schulsprüchen
   - Der Volksmund ist unverwüstlich und unzensierbar
   - Manches Aktiv-Werden bringt unerwarteten Erfolg


Auch Lesen kann Corona-Zwangsfreizeit füllen. So fiel mir vor kurzem in einer Büchertauschzelle ein kleines vergilbtes Heft auf. Scheinbar belanglos - aber wer sich die Welt genau ansieht, kann in solchen Dingen vieles mehr erkennen.
Es handelt sich um die "Lukasburger Stilblüten". Die Lukasburg ist (oder war) eine Schule in München. Dr. Wolfgang Krämer war dort Lehrer und sammelte ab 1921 Stilblüten aus Schulaufsätzen. 1952 brachte er diese Sammlung als kleines Buch heraus.
Nach dem Text über Mißverständnisse im April-Rundbrief (→1) möchte ich dieses Thema her nochmal bringen. Immerhin ist dieser Teil menschlichen Denkens mit dem berühmtesten Psychologen verknüpft: "Freudsche" Fehlleistung.

Die Mißverständnisse - "Luthers 95 Prothesen" und "Cäsars Lektionen" - sind natürlich auch hier Thema. Doch die Sprüche in dem Heft sind nicht mehr wirklich die Sensation. Es sind genau jene, die durch die Welt geistern und noch immer in jedem zweiten Witzbuch zu finden sind. So wie die Behauptung, das Gegenteil von polygam wäre "monoton" - den Spruch kannte ich schon von Heinz Erhardt. Es ist heute nicht mehr zu klären, wer da wen kopiert hat, oder ob der Witz so naheliegt, daß viele drauf kommen.
Durch andere Punkte ist das Heft interessanter:

1. Die erste Auflage bestand aus 2000 Exemplaren. Hat der Herausgeber dem Heft kein größeres Publikum zugetraut, hatte er Angst, auf unverkauften Heften und hohen Druckkosten sitzenzubleiben? Hat er sich sowas gedacht wie "wenn es sich nicht verkauft, dann verschenk ich den Rest bei der nächsten Abifeier"? Dann müßte er überrascht gewesen sein, wie sehr unnötig seine Befürchtung war. Denn mir liegt die "94-98. Auflage, 406.-425. Tausend, München 1959" vor. Die jüngste Auflage, die bei Amazon zu finden ist, ist sogar aus dem Jahr 2001. Das Buch ist ein Beispiel mehr, wie Aktiv-Werden zu ungeahnten Erfolgen führen kann.

2. Laut Vorwort wurde das Buch in den Jahren immer mehr erweitert durch Sprüche, die von "nahen und fernen Kollegen" eingesandt wurden. Sicher ist nicht geprüft worden, ob diese ihre Sprüche in Schulaufsätzen gelesen haben - oder in noch älteren Witzbüchern.

3. Zweideutig-schmutziger Humor fällt wohl auchWer nicht zu sündigen wagt, begeht die grösste Sünde. deshalb auf, weil das Buch aus den angeblich so prüden Fünfzigern (→2) stammt. "Für Freundschaft und Liebe hatte Napoleon kein Organ." "Mit starkem Strahl gaben die Feuerwehrmänner ihr Wasser ab." "Der Stuhl des Herrn Professor ist von bräunlicher Farbe und sehr weich."
Alle wissen, was hier nicht gemeint ist. Nicht das neue Wort holt das Tabuisierte aus dem Vorurteil, sondern das Tabuisierte zieht das neue Wort in sein Elend. Ob Bückware, Drogen, Rassismus oder wie hier Schmuddelwitze: Die Leute wissen am Ende doch, wie sie es bekommen. Wie sie sagen können, was man "sagen dürfen muß". Sie werden das Tabu damit zwar nicht abschaffen. Doch solche Themen sind wie das Wasser, das - Zitat aus dem Heft - "selbst der stärkste Mann nicht halten kann."

4. Ganz besonders gilt das für die zwei Seiten mit Kindersprüchen aus der Nazizeit. "Adolf Hitler verdanken wir den gesamten erbgesunden Nachwuchs." "... daß die Essensreste den NSV-Schweinen zugeführt werden." Solche Sprüche wirken wiederum, als hätte sie der Volksmund zum Selbstschutz den unmündig-unschuldigen Kindern zugeschoben. Klar, auch sie kannte ich schon: Peter Gamm, der Herausgeber des Buchs "Der Flüsterwitz im Dritten Reich", war immerhin so ehrlich, die Lukasburger Sammlung in seinen eigenen Quellenangaben zu nennen. (Nicht nur) daher möchte ich zum Abschluß sein Buch etwas mehr empfehlen.

Julian / Braunschweig

Peter Gamm: Der Flüsterwitz im Dritten Reich. dtv, ISBN 3-423-01252-8, sicher ebenfalls in vielen anderen Auflagen verfügbar

↑1 www.schuechterne.org/rb202.htm -> "Tina, bezahl die Eiscreme"

↑2 Ich weiß nicht, wie prüde die Fünfziger wirklich waren. Ich war damals nicht dabei und weiß nur, was viel später von wem - und warum von wem - für erinnerungswert gehalten wurde.




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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26